Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
Vom Netzwerk:
Rüschennachthemd auf den Gang. Sie sah wie eine Schlafwandlerin aus. Als sie Barbara wahrnahm, begann sie zu schreien. Die Tragödie näherte sich unaufhaltsam der Katastrophe.
    Der Kastenwagen der Gerichtsmedizin war mit der Leiche bereits fortgefahren, doch die Zahl der Fahrzeuge und Menschen auf der Deponie hatte sich vermehrt: Feuerwehrwagen umzingelten einen Spezialwagen des THW, vor Ort waren auch zwei Busse der Bereitschaftspolizei, die gerade Suchmannschaften bildete, VW-Transporter der Spurensicherer vom Landeskriminalamt und zum allgemeinen Ärger der Ermittler ein Fernsehteam. Ein Hubschrauber kreiste scheinwerferleuchtend über dem Gelände und scheuchte die Parkentiner aus dem Schlaf. Uplegger setzte seine Partnerin bei einem Feuerwehrauto mit der Aufschrift Atemschutz ab. Er selbst wollte in der Dienststelle mit den angefallenen Schreibtischrecherchen beginnen. Bevor Barbara die Tür schloss, sagte sie noch: »Grässlich! Bestimmt tritt sich hier ein halbes Dutzend Einsatzleiter gegenseitig auf die Füße!«, was er mit einem Augenrollen quittierte. Als ein aufdringlicher Kameramann seine Kollegin ins Visier nahm, fuhr Uplegger so dicht an ihm vorbei, dass dieser fluchend zurücksprang. Barbara nutzte die Chance und enteilte.
    Auf dem Weg glänzte gefroren die blutige Masse, in der unlängst noch Riccardos sterbliche Hülle gelegen hatte, und die Spurensicherer suchten mit gebeugten Häuptern Zentimeter für Zentimeter der Umgebung ab. Etwas hatten sie bereits gefunden, und Pentzien präsentierte es in zwei durchsichtigen Hüllen: ein leicht deformiertes blutbeflecktes Geschoss und eine Patronenhülse.
    »Da die Hülse ausgeworfen wurde, wurde also eine Pistole benutzt«, dozierte er, als ob Barbara das nicht schon in der Polizistenkrippe gelernt hätte. Der Hubschrauber beleuchtete ein Stück Wegrain und drehte wieder ab. Am Himmel über Rostock zeigte sich ein zaghafter früher Lichtstreifen. »Die Kurzwaffenmunition ist leider Massenware, 9-mm-Parabellum. Ich hab bäten mit der Lupe hantiert: Auf dem Hülsenboden befinden sich die Initialen GFL. Giulio Fiocchi , Lecco.«
    »Italienische Munition?«
    »Jo.«
    »Dazu würde eine italienische Pistole passen. Was fällt mir da ein? Eine Beretta .«
    »Möglich. Aber es gibt so viele Pistolen, mit denen man 9-mm-Para verschießen kann, da müssen die Ballistiker ran.«
    »Lecco, ist das irgendwo bei Neapel?«
    »Das musst du deinen Spezi fragen. Oder guck doch in den Autoatlas. Ich glaub, wir haben einen im Wagen.«
    »Später. Habt ihr noch etwas in Elmenhorst gefunden?«
    »Wir sind noch nicht fertig. Vor allem haben wir was eingesackt. Den PC und Papiere. Eine Skizze für den Polohof Kröner, den Entwurf einer Konzeption sowie einen Kreditantrag an die Ostsee-Sparkasse . Seine Vision scheint dem Jungen ziemlich ernst zu sein.«
    Ann-Kathrin Hölzel nahm Barbara mit in die Dienststelle, wo diese sich sofort auf den Kühlschrank stürzte, nur um festzustellen, dass sie Nachschub brauchte. Noch während der Fahrt hatte Miriam Jegorow aus Güstrow angerufen. Die Journalistin hatte herausgefunden, wo Andriejus die letzten Stunden seines Lebens verbracht hatte: Im Ristorante Pavarotti mit einem Funktionär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Das Rätsel um die fehlende Zeit zwischen Feierabend und Verbrechen hatte eine simple Lösung gefunden, die Barbara enttäuschte.
    Mittlerweile war es kurz vor zehn, und Uplegger führte nervenzehrende Telefonate auf Englisch. »Yes, yes, German Police«, erklärte er gerade. »From Rostock. Yes, the former G.D.R. Yes, yes … Himmel!« Er warf Barbara einen verzweifelten Blick zu. »Mein Bildungsniveau steigt im Minutentakt; ich weiß nun, dass das lettische Innenministerium Latvijas Republikas Iekšlietu ministrija heißt, die Staatspolizei Valsts policija, ein Kriminalpolizist Detektīvs und die Division zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität Ekonomisko noziegumu apkarošanas pārvalde. Ich weiß sogar, dass die in Riga in der Stabu iela 89 sitzen. Und was fange ich damit an? Niemand versteht mich.«
    »Und jetzt?«
    »Irgendwer stellt mich gerade zu irgendwem durch. Ich höre ein Volkslied. Na … oh! Yes, yes, German Police. Yes, Rostock. You’ve been here? When? Yeah? It’s nice, isn’t it?« Er deutete auf einen Ausdruck, den er Barbara auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie las zuerst die handschriftliche Bemerkung: ›Lecco befindet sich in Norditalien, in der Lombardei, 50 km nördl. von

Weitere Kostenlose Bücher