Mörder im Zug
Joppe und eine Schirmmütze, doch seine Füße steckten in Puschen. Rasch überquerte er den Hof. Am Tor angelangt, schnauzte er den Hund an, der sich beleidigt trollte.
»Haben Sie Morten gefunden?« Kröners gepresste Stimme verriet Sorge. Barbara schüttelte den Kopf.
Er löste den Riegel, öffnete einen Flügel. »Hoffentlich ist ihm nichts passiert.«
»Sie sind es doch gewöhnt, dass er bis in den Morgen fortbleibt?«
»Dann hinterlässt er eine Nachricht. Außerdem war schon Polizei da, die nach ihm gefragt hat. Was ist denn bloß los? Es hat doch nichts mit …?« Kröner brach erschrocken ab.
»… dem Tod von Andrea zu tun? Wenn wir das wüssten!«
Uplegger hatte eine Idee.
»Sagen Sie, Herr Kröner, dürften wir uns in Mortens Bungalow umschauen? Vielleicht finden wir einen Hinweis auf seinen Aufenthalt. Wir brauchen Ihr Einverständnis, da wir keinen HD-Beschluss haben.«
»Keinen was?«
»Hausdurchsuchungsbeschluss.«
»Heißt das nicht Befehl?«
»Nein.«
»Aber im Fernsehen … Ja, meinetwegen. Ich hole den Schlüssel.«
In Mortens Bude stank es nach Dope. Uplegger tastete neben der Tür nach dem Lichtschalter, und als er ihn gefunden hatte, gingen die Deckenstrahler an. Barbara förderte aus ihrer Handtasche ein Paar steril verpackter Latexhandschuhe zutage. Uplegger trug Lederhandschuhe, die für ihr Vorhaben ausreichten.
»Das war brillant«, sagte sie anerkennend. »Wir hätten auch auf Gefahr im Verzuge machen können, aber mit Einverständnis ist es besser. Ich nehme mir die Anbauwand vor.«
»Na, dann.« Uplegger ging zum Bett, schlug Kissen und Decke zurück, schaute unter das Laken und öffnete den Bettkasten. Dort fand er eine zusammengeknüllte ockerfarbene Acryldecke, einen sorgfältig gebügelten Schlafanzug und ein paar Pornohefte, von denen eines aufgeschlagen war. Uplegger nahm es heraus, hielt es ins Licht. Eine bis auf High Heels nackte Frau mit langem schwarzen Haar war auf eine Streckbank gefesselt, und zwar in einer dermaßen verkrümmten Haltung, dass sie eine Akrobatin sein musste. Über ihr schwang eine Person, von der nur der stark behaarte Arm zu sehen war, eine siebenschwänzige Peitsche.
Uplegger zeigte das Bild Barbara, die gerade ein Fotoalbum aus einem Schrankfach zog.
»Ob er das mit Claudia Brinkmann macht?«
»Vielleicht. Oder es ist nur eine Fantasiehilfe fürs Alleinsein. Ich habe mal gelesen, dass Männer meist zusätzliche sexuelle Vorstellungen haben, die sie mit ihren Frauen nicht ausleben können.«
»Ich nicht.«
»Erzählen Sie keine Märchen. Sie stehen doch heimlich auf Jungs.«
»Also da hört sich doch alles auf!« Uplegger warf das Heft zurück in den Bettkasten und schloss diesen wieder. Er ging auf die Knie und fuhr mit der rechten Hand unter das Bett. Was er dabei zu greifen bekam, waren Papiertaschentücher, deren getrockneter Inhalt ihren Zweck verriet. Da er solche Tücher auch schon einmal unter Marvins Bett gefunden hatte, wurde er rot. »Ich habe das b sieben ausschließlich aus Ermittlungsgründen aufgesucht.«
»In Ihrer Freizeit. Und wieso sind Sie dann rot geworden?«
»Ach, leckt mich doch alle!« Uplegger stapfte zu einem der Sessel und fuhr in die Ritzen zwischen Armlehne und Sitzpolster. Dabei spürte er, dass sein Gesicht glühte.
»Vulgär sein, das passt nicht zu Ihnen.« Barbara schlug das Album auf. Das erste Foto zeigte einen kleinen, schüchtern in die Kamera schauenden Jungen mit Schultüte.
Uplegger stürzte den Sessel auf die Rückenlehne. Barbara fand noch elf weitere Bilder von einem Schulanfang: den ABC-Schützen, stolze Eltern, ein Klassenfoto, eine gedeckte Tafel ohne Gäste, eine Schokoladentorte mit der Aufschrift Morten zum 1. Schultag – Erinnerungen, deren Bestimmung das Vergessen war.
Der Boden des Sessels bestand aus zwei Spanplatten, die ausgesprochen schlecht zusammengefügt worden waren. Der Stoß klaffte etwa drei, vier Millimeter auseinander, aber das war nicht so bemerkenswert wie ein Loch in Höhe der Lehne. Es war nicht sehr groß, aber offenbar nicht auf den Pfusch bei der Herstellung zurückzuführen.
»Ein Versteck!«, rief Uplegger. Barbara schlug sofort das Album zu und trat näher.
Uplegger steckte drei Finger in die Öffnung und war überrascht, wie leicht sich die Platte lösen ließ. Als er sie in der Hand hatte, wurde er des Rätsels Lösung gewahr: Sie war nur mit Magneten befestigt.
»Tatsächlich ein Versteck«, sagte Barbara.
Uplegger kippte den Sessel ein wenig
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