Mörder Quote
Deutschland, ach was, auf der ganzen Welt kein wichtigeres Ereignis mehr gab als das Finale von Music Star 3000 .
Beim Produktionsmeeting am Montagmorgen war nur kurz über die Sicherheit der verbleibenden Kandidaten und Mitarbeiter gesprochen worden (noch mehr Security, keine hängenden Objekte direkt über den Köpfen), aber insgesamt hatte Tanya das Gefühl, dass jetzt die letzte offizielle Scheu abgelegt worden war. Nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung äußerte sich in Briefen und im Internet, dass man die Finalshow nicht senden sollte. Der Rest war sich sicher: Das VOLK hatte jetzt ein Recht darauf zu sehen, wer GEWINNT . Und wenn dabei Blut fließen würde. Deutschlands Samstagabend war nun endgültig im Circus Maximus angekommen.
Und selbst die Polizei hatte kapituliert. Anscheinend hatte der Ministerpräsident von NRW mit den Inhabern der Sendergruppe telefoniert, und da waren ein paar Abmachungen getroffen worden, die vom Set der Show direkt in die höchste Politik führten. Auf jeden Fall hatte Herr Köhler heute Morgen das offizielle Veto der Polizei öffentlich zurückgezogen.
Tanya selber fühlte sich sicher, seit Nils nicht mehr von ihrer Seite wich. Er war jetzt nicht nur Lover, sondern auch Bodyguard, nahm seinen Blick nicht von ihr, und das fühlte sich gut an. Es fühlte sich sogar perfekt an.
So perfekt, dass Tanya sogar ihre Mutter zur letzten Show eingeladen hatte und plante, ihr im Vorübergehen Nils vorzustellen. Er würde zwar nicht ganz ihr Fall sein (zu wenig Geld und Position), aber in der Hektik des Finales würden sie beide diesen Punkt freundlich umschiffen. Und Tanya und Nils könnten so schnell zu den wirklich wichtigeren Dingen zurückkehren: der absolut letzten TV -Show in Tanyas Leben!
Sie hatten diesen Entschluss zusammen gefasst, in der Nacht in der Klinik, nachdem der Kommissar gegangen war und das Night-Nurse-Model freundlicherweise die nächsten Stunden nicht mehr ins Zimmer gekommen war. Nach dem besten Versöhnungssex in Tanyas Leben (und auch in Nils’ Leben, so versicherte er) hatten sie die ganze Nacht wach gelegen und Pläne geschmiedet. Orte wie Patagonien, New York und Vietnam kamen darin vor. Köln-Ossendorf nicht. Sie war jetzt endlich bereit auszusteigen und Deutschlands aufregendste Blondine in den persönlichen Fundus zu schicken. Zu ihren Urkunden von »Model-Hoffnung 85« und »Kinderstar Stolberg 79«.
Der nette Kommissar Köhler war nach dem Sonntagabend in der Klinik nicht mehr aufgetaucht. Vielleicht glaubte er, dass Tanya jetzt genug Schutz hatte. Vielleicht war er auch ein bisschen eifersüchtig. Oder er jagte jetzt wirklich Chantals Mörder, der immer noch hier herumlaufen musste …
Wer konnte es sein? Tanya ging wieder einmal akribisch alle Mitarbeiter im Team durch und die beiden letzten Kandidaten. Als sie Sascha dabei zusah, wie er sich schlau weigerte, für das nächste Pressefoto eine pinkfarbene Federboa umzulegen, stieg ein Gedanke in ihr hoch. Vor ihrem inneren Auge sah sie Chantal in der ersten Strophe ihres letzten Liedes. Sie sah sich selbst, wie sie sich nach Sascha umschaute, der kurz danach mit der Boa zurückkam … wo war er abgegangen? In der Ecke des Studios, wo der Schalter für die Kugel war? Tanya schoss es wie ein Blitz durch den Kopf. Es war undenkbar! Sascha war ihr von Anfang an der sympathischste Kandidat gewesen, der Einzige, mit dem sie öfter geredet hatte. Wäre er in der Lage, nach den irren Taten von Lillys Mutter, selbst zum äußersten Mittel zu greifen, um einen seiner letzten Gegner in der Show auszuschalten? Wollte er den Sieg in dieser Show so sehr? Und was bedeutete das für Lilly? Tanya wurde es eiskalt, als sie einen Blick auffing, den Sascha Lilly in diesem Moment quer durch den Raum zuschoss.
Diese blöde Wasserliliennummer geht mir auf den Sack!, dachte Sascha in diesem Moment. Die wird mir meinen Sieg nicht wegnehmen.
KAPITEL 39
Zum letzten Mal in ihrem Leben sah Tanya einen Warm-Upper, der die Menge in einem TV -Studio in den Ausnahmezustand versetzen musste und dabei gar nicht arbeiten musste, denn die Menge war längst im Ausnahmezustand. Der Kampf um die Studiotickets der Finalshow von Music Star 3000 war so hart gewesen wie nie zuvor. Schwarzmarktpreise hatten die magische Grenze von 10.000 Euro überschritten. »Um ein Ticket für diese Show zu bekommen«, schrieb ein anonymer Besucher auf der Internetfanseite der Sendung, »würde ich morden … smiley.«
Ganz Deutschland wollte heute in
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