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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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ihrem lockigen Studioboy-Toy überhaupt nicht in die letzte und wichtigste Probenwoche passte. Nicht nur, dass es jetzt endgültig überall in den Fluren des Studiogebäudes von Security strotzte (als ob irgendwo im Haus parallel ein » CIA gegen FBI «-Film gedreht werden würde) und allein dadurch die Bedrohlichkeit der Szenerie jede Minute aufs Neue unterstrichen wurde, nein, auch die von den meisten dieses Mal wirklich empfundene Trauer um Chantal empfahl – nein befahl! – ein anderes Verhalten als das, was Tanya und dieser Nils an den Tag legten. Selbst beim Begräbnis und der Trauerfeier von Chantal, die natürlich eine Oper an Blumen, Tränen und Transen gewesen war, hatten sie die ganze Zeit Händchen gehalten. Und bei der danach stattfindenden ironisch bayrischen »Laich« im Rainbow – bei der alle Angestellten des Lokals auch noch Dirndl und Lederhosen trugen und die ein alkoholischer Höhepunkt in Saschas Leben gewesen war – hatten sie ihre Finger nicht voneinander lassen können. Sascha hatte das nicht nur unpassend gefunden, sondern es hatte ihn auch daran erinnert, dass er im Leben genauso allein stand wie nun im Finale.
    Die paar Worte, die er früher ab und zu mit Lilly gewechselt hatte, waren nun auch versiegt. Sie stand bei der Beerdigung inmitten der Journalistenschar so weit von ihm entfernt wie jetzt hier auf der Probe.
    Und sie hatte immer noch mehr Presse als er! Selbst in der letzten Woche, wo sich alles auf die beiden finalen Duellanten zuspitzte und die Berichterstattung einigermaßen ausgewogen sein sollte, schwirrten um Lilly viel mehr Fotografen herum als um ihn.
    Natürlich »probten« sie nicht wirklich, die wahren Songs würden ja erst am Samstag live enthüllt werden, aber hier beim täglichen Pressecall mimten beide nun dramatisch ein paar Lieder aus den vergangenen Wochen, alles natürlich nur Balladen im Sinne der immer noch anhaltenden Trauer um Chantal und die anderen Verstorbenen.
    Und jeden Abend nahmen beide heimlich und separat den Song auf, den Marco Deutz wie immer produziert hatte und der dann ihre erste Single werden würde. Ihre oder seine. Marco hatte den Song wirklich »No More Dying« getauft – eine Geschmacklosigkeit ohnegleichen, die aber wahrscheinlich beim kaufenden Volk funktionieren würde. Denn der Titel könnte sich natürlich auch auf die Kriege dieser Welt beziehen und nicht nur auf die Opfer der letzten Wochen. Er würde Marco Millionen bringen.
    Was die Gefahr anging, war Sascha erstaunlich ruhig. Er fühlte sich jetzt, wo er es so weit geschafft hatte, merkwürdigerweise sehr sicher, trotz der Briefe, die immer noch kamen. Vielleicht hatte er einfach einen guten Schutzengel (eine Art Cher mit Flügeln), oder er hatte sich einfach im Innersten entschlossen, für diese Art der Gedanken keine Energie zu verschwenden. Er musste sich auf seine Performance konzentrieren. Auf seinen Sieg.
    Tanya studierte Saschas Presse-»Probe«, während sie sich selber noch mit Nils am Cateringstand ausruhte, bevor sie ihr heutiges Interviewpensum erledigen würde.
    Sascha war wirklich außerordentlich ehrgeizig, das war ihr in den letzten Wochen immer deutlicher aufgefallen. Deshalb war er auch von Auftritt zu Auftritt besser geworden, cooler, professioneller. Aber ein Teil von Tanya wünschte sich den kleinen schwulen Popfan vom Anfang der Show zurück mit den zwei Pfund mehr am Körper. Mit dem sie noch ab und zu ehrlich sprechen konnte. Jetzt war alles an ihm abgezirkelt, genau für die Presse ins Licht gesetzt, frei von jeglichem echten Charme. Sascha hatte sich zu einer erwachsenen perfekten Ich- AG des Popgeschäfts entwickelt, während Lilly auf der anderen Seite des Raumes immer mehr einzugehen schien, wie eine Blume, der man Licht und Wasser entzog. Zwar machte gerade das ihre Songs ausgesprochen eindrucksvoll – ätherisch, schwebend, bewegend –, aber in der grell erleuchteten Wirklichkeit des Proberaumes schien alles in ihr irgendwie Schatten und Ruhe zu suchen. Wahrscheinlich vermisste sie ihre Mutter. Trotz allem.
    Der Mann, der gerade gar nichts vermisste, war der Pressechef, der nun wieder die frisch ausgedruckten Presseberichte des Tages an die Wände kleben ließ. Er verbiss sich nicht einmal das Grinsen, unfassbar, wie Tanya fand. Neben jedem Artikel waren die Auflagenzahlen der jeweiligen Zeitung oder die Kontaktzahlen der diversen Radiosender oder Internetportale vermerkt. Und nach dem letzten »Unglück« vom Samstag war klar, dass es in ganz

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