Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
wenn Oberreuter wieder einmal in finanzielle Schwierigkeiten kam, half ihm Bröcher großzügig aus.
Bröcher hatte inzwischen eine erfolgreiche Privatpraxis gegründet. Und als Oberreuters Unternehmen in Konkurs ging und er arbeitslos wurde, war er für jegliche materielle Hilfe des Arztes umso dankbarer, zumal ihm Bröcher hin und wieder einen Auftrag verschaffte.
Was Oberreuter aber nicht wusste: Bröcher hatte für seine Geliebte ein Sparbuch über 5000 Mark angelegt, und das war nach dem Ende der Inflation viel Geld.
So vergingen zwei Jahre einer Beziehung, die durch die Dauer nicht lockerer, sondern immer enger geworden war. Emilie sah in zweifacher Hinsicht keine Zukunft an der Seite ihres Mannes. Charakter, Temperament und Lebenserwartung
waren zu verschieden.
»Emilie jung und lebenslustig, er alt und verdrossen« - so brachte Emilies Schwager es auf eine prägnante Formel. Auch materiell sah es für Emilie düster aus. Der arbeitslose Mann konnte ihr nicht viel bieten, um ihre Wünsche nach Vergnügen und bescheidenem Luxus zu erfüllen. Heiratete sie dagegen Bröcher, wäre ihre Existenz gesichert.
Und Bröcher war dazu auch bereit. Seine noch immer bestehende Verlobung mit der Lehrerin konnte er lösen, eine tiefere Bindung war sowieso nicht vorhanden. Eine wirkliche Bindung hatte er nur an Emilie, und die glich schon einer Fesselung, einer sexuellen und emotionalen Hörigkeit. Ob Emilie den Doktor tatsächlich liebte oder nur als Werkzeug für die Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse nutzte, wurde nie geklärt. Emilie behauptete später, sie habe ihn nie geliebt, er wäre ihr zu sensibel und weichmütig gewesen. Vielleicht vermisste sie an ihm das Machogehabe ihres Mannes. Also band nur das Interesse an Bröchers Stellung und Besitzstand Emilie an ihren Geliebten.
Was Bröcher nicht merkte, bemerkten andere. Bröchers Schwester Klara, auch eine Lehrerin, eine gradlinige und sittenstrenge Frau, beobachtete schon lange die in ihren Augen ehebrecherische Verfehlung des Bruders. Sicherlich ahnte sie, dass Emilie noch andere Motive bewogen, Bröcher an sich zu fesseln. Als Klara erfuhr, der Bruder wolle Emilie heiraten, forderte sie zornig, er solle endlich dieses »schreckliche Weib« aufgeben, das ihn zu ihrem Sklaven gemacht habe. Bröcher gestand der Schwester, dass einer Heirat ein unüberwindliches Hindernis entgegenstehe. Würde sich Emilie von ihrem Mann scheiden lassen, erhielte sie für eine Ehe mit Bröcher nicht den kirchlichen Segen, und darauf legten beiden großen Wert.
Somit schien ein vernünftiger Weg für die Lösung des Konflikts verbaut.
Verzweiflung befiel Bröcher. Er war jetzt vierzig. Seine heimliche Beziehung zu Emilie hatte drei Jahre überstanden. Aber würde sie weiter eine völlig ungewisse Zahl von Jahren überdauern, bis Oberreuter eines Tages starb und Emilie für ihn frei wurde?
In diesem Zustand der Hoffnungslosigkeit, ständig bedrängt von den moralischen Vorwürfen seiner Schwester, rang sich Bröcher schließlich zu dem Entschluss durch, sich von Emilie zu trennen.
Für Bröcher war das zweifellos eine heroische Entscheidung, für Emilie eine Katastrophe. Verlassen von ihrem Geliebten, zurückgeworfen auf den ungeliebten, verbitterten, arbeitslosen Ehemann, sah sie alle Zukunftsträume schwinden.
Für Bröcher und Emilie brachen höllische Zeiten an. Emilie war nicht bereit, die Trennung hinzunehmen. Und Bröcher hatte weder den Mut noch die Kraft, sie durchzusetzen. Für ihn, den seine Kollegen als erotisch unerfahren bezeichnet hatten, war diese Frau das erregendste sexuelle Erlebnis. Und so brachte er es dann doch nicht über sich, den radikalen Schnitt zu vollziehen. Und Emilie nutzte jedes Zusammensein, um den Wankelmütigen zurückzugewinnen. Sie spielte die leidenschaftlich Verliebte. Sie spielte die Verzweifelte. Sie beschimpfte ihn. Und sie erpresste ihn mit der Drohung, sie werde ihr Verhältnis publik und Bröcher in Köln unmöglich machen. Einmal, als er seine Schwester zu ihrem Namenstag besuchen wollte, schrie sie ihn an: »Zuerst komme ich, dann komme ich nochmals, und dann kommt deine Schwester noch lange nicht!« Bröcher zog einen Revolver aus der Tasche und richtete ihn auf Emilie. Sie höhnte, er würde nicht wagen, auf sie zu schießen.
Dann begann Emilie, um Bröcher zu provozieren, sich mit einem andern Mann einzulassen, was Bröcher noch mehr erregte.
Er sah sich in einer Falle. Er suchte Frieden im Alkohol. Patienten liefen ihm weg,
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