Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
in der Klinik - das war unverdächtig. Man würde Herzschwäche als Todesursache annehmen und auf eine Obduktion der Leiche verzichten.
Am 17. März, allein mit seinem Opfer, spritzte Bröcher ihm wieder Digalen. War das Herz erst einmal erneut angegriffen, konnte das eigentliche Mordgift, das er ihm geben wollte, im geschwächten Körper seine volle Wirkung entfalten.
Als Mordgift hatte Bröcher Novasurol vorgesehen, ein Medikament, das Quecksilber enthält. Quecksilber wurde seit dem 16. Jahrhundert bei Syphilis angewendet und galt seitdem als das souveräne Heilmittel gegen diese Geschlechtskrankheit. Überhöhte Gaben von Quecksilber schädigen Dickdarm und Nieren. Akute Quecksilbervergiftungen sind meist tödlich.
Nachdem Bröcher das Digalen injiziert hatte, spritzte er zuerst eine therapeutische Dosis Novasurol von 2 Kubikzentimeter. Er wollte feststellen, ob der Kranke überempfindlich gegen Quecksilber war. In diesem Fall wäre Eiweiß im Harn aufgetreten und der Ursache der Eiweißausscheidung nachgegangen worden. Dann wäre der Mordplan möglicherweise gescheitert.
Bereits am nächsten Tag stellten sich bei Oberreuter erneut Erbrechen und jetzt auch blutige Durchfälle ein - die Wirkung von Digitalis und Quecksilber. An eine Entlassung aus der Klinik war nun nicht mehr zu denken.
Bröcher wartete, bis sich Oberreuters Zustand wieder etwas gebessert hatte, und injizierte in Abständen von zwei Tagen immer wieder Digitalis und Quecksilber. Dem Patienten erklärte er, er nehme die Injektionen im Auftrag des Oberarztes Dr. Frick vor.
Einmal, als er Oberreuter gerade wieder eine Injektion gab, betrat die Krankenschwester Potentia das Zimmer. Sie fragte verwundert, ob Dr. Bröcher wieder die Behandlung übernommen habe. Bröchers Erklärung, er nehme die Injektionen im Auftrag des Oberarztes vor, befriedigte die Schwester nicht, weil es nicht üblich war, dass ein Arzt von außen in die Behandlung eines Klinikpatienten eingriff. Aber sie schöpfte auch keinen Verdacht gegen den ihr schon lange bekannten Arzt.
So vergingen im Wechsel von Besserung und Verschlechterung die nächsten zehn Tage. Zur Freude des Täters gingen die behandelnden Klinikärzte dem ungewöhnlichen Krankheitsverlauf nicht intensiv nach, so dass er die schleichende Vergiftung kontinuierlich fortsetzen konnte.
Am 27. März nachmittags ging Dr. Bröcher in die Gaststätte ZUM OCHSEN, blieb dort zwei Stunden und verließ sie angetrunken gegen sechzehn Uhr. Er ging ins Marienhospital. Allein mit Oberreuter, entnahm er 2 Zehnerpackungen Novasurol 15 Ampullen zu je 2 Kubikzentimeter und spritzte diese 50 Kubikzentimeter dem Patienten in beide Oberschenkel. Das war eine absolut tödliche Dosis.
Noch am gleichen Abend bekam Oberreuter Fieber. Einen Tag später stellten sich wieder blutige Durchfälle ein. Die Mundschleimhaut entzündete sich. Am 31. März trat Harnverhaltung auf. Am 1. April war er bereits bewusstlos.
Die behandelnden Ärzte standen vor einem Rätsel. Sie erwarteten das nahe Ende des Patienten.
Nur einem von ihnen, Dr. Graß, gaben die Symptome des Kranken zu denken. Deshalb fragte er Bröcher, ob er Oberreuter etwa Quecksilber injiziert habe. Bröcher protestierte entrüstet gegen eine solche Verdächtigung.
Einige Krankenschwestern hatten sich untereinander schon seit Tagen über ihre Beobachtungen am Krankenbett Oberreuters unterhalten: dass Bröcher heimlich Injektionen vornehme und geäußert habe, er hätte sich schon lange gewünscht, dass ihm Oberreuter mal als Patient unter die Finger käme. Der Doktor habe auch erzählt, Oberreuter sei ein Tyrann und misshandele seine Frau. Auch das Liebesverhältnis zwischen Dr. Bröcher und Frau Oberreuter sei doch offensichtlich. Vielleicht habe der Doktor ihren Mann sogar vergiftet.
Je weiter Oberreuters tödliche Erkrankung fortschritt, desto lauter wurde der Verdacht gegen Dr. Bröcher. Schließlich kamen die Gerüchte auch Oberarzt Dr. Frick zu Ohren. Er reagierte sofort und verbot Bröcher, ohne einen Arzt oder eine Schwester das Krankenzimmer zu betreten.
Aber da war es schon zu spät.
Am nächsten Tag - es war Freitag, der 2. April - starb Oberreuter. Er war allein in der Sterbestunde. Seine Frau hatte sich geweigert, ihn nochmals zu sehen.
Noch am gleichen Tag, als sein Opfer aus dem Leben schied, begann auch Dr. Bröchers Absturz aus den Höhen seiner Illusionen.
Gegen Mittag erschien Bröchers Schwester Klara in der Klinik.
Sie lief durch die Station und
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