Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
Haus. Was er dort sah, bestärkte seinen Verdacht. Im Haus herrschte ein Chaos. Frau Ruloffs Kleidungsstücke fanden sich, wie man glaubte, vollständig vor. Es schien unmöglich, dass sie unter solchen Umständen eine längere Reise unternehmen könnte. Man benachrichtigte Harriets Familie von der beunruhigenden Situation.
Aber noch bevor die Familie irgend etwas zur Klärung unternehmen konnte, traf Ruloff überraschend ein. Er wurde mit dem Verdacht konfrontiert, Harriet und das Kind ermordet zu haben. Ruloff machte sich über dieses Gerücht lustig und sagte, Frau und Kind befänden sich wohlbehalten in Madison, wo er eine glänzende Stellung erhalten habe.
Aber Harriets Familie bezweifelte seine Geschichte. Harriet hätte längst selbst etwas über ihren neuen Wohnort geschrieben. Ruloff sollte Beweise bringen, dass sich Harriet und das Kind in Madison befanden. Er versprach, sich sofort darum zu kümmern, dass sich Harriet bei ihrer Familie meldete.
Eine Stunde später war Ruloff verschwunden.
Nun zweifelte niemand mehr an seiner Schuld. Ein Verwandter Harriets, Ephraim Schutt, setzte sich in einen Wagen, um Ruloff zu verfolgen. Er hatte Glück und holte ihn im nächsten Ort ein.
Ruloff zeigte sich durchaus nicht erzürnt, sondern forderte Ephraim freundlich auf, ihn doch zu seiner Frau nach Madison zu begleiten. Dann werde er selbst sehen, wie grundlos sein Verdacht sei. Ruloffs sicheres Auftreten verunsicherte Ephraim. Er erklärte sich bereit, mit ihm zu kommen.
Aber unterwegs nutzte Ruloff eine günstige Gelegenheit zur Flucht. Ephraim begab sich nach Madison und stellte fest, dass sich seine Schwester nicht dort befand. Er meldete sie als vermisst und ließ nach Ruloff fahnden.
Ein Sheriff konnte Ruloff ausfindig machen und verhaften. Er wurde nach Ithaka gebracht und ins Gefängnis gesteckt.
Währenddem durchforschte eine Suchmannschaft den Cayugasee nach den Leichen von Ruloffs Frau und Kind. Es war vergeblich.
Der Staatsanwalt, der Mordanklage erheben sollte, war in Verlegenheit. Ohne Leiche kein Mord. So klagte er Ruloff der Entführung an, hatte aber auch dafür keine gesetzliche Grundlage.
Trotzdem verurteilte das Gericht Ruloff zur Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsentzug.
Im Gefängnis machte sich Ruloff sehr schnell beliebt. Seine technische Begabung erregte Bewunderung. Ruloff schlug einige Neuerungen vor, die die Einkünfte der Strafanstalt bedeutend vermehrten. Besonders geschickt war Ruloff als Musterzeichner. Er soll hierbei eine so reiche Phantasie und so viel künstlerischen Geschmack entwickelt haben, dass er die Teppichfabrikation in den Vereinigten Staaten stark beeinflusste.
In seinem Verhalten war Ruloff ein vorbildlicher Häftling. Er erhielt deshalb viele Vergünstigungen. Er durfte lesen und
bildete sich wissenschaftlich weiter.
Nachdem er bei bester Gesundheit seine zehnjährige Strafe verbüßt hatte, ohne dass seine verschwundene Frau ein Lebenszeichen gegeben hatte, wurde er entlassen. Aber noch ehe er die Strafanstalt als freier Mann verlassen konnte, verhaftete ihn der Sheriff erneut, und diesmal wiederum wegen Mordverdachts.
Ruloff war juristisch viel zu beschlagen, um sich davon schrecken zu lassen. Auch jetzt gab es nicht mehr Beweise gegen ihn als vor zehn Jahren. Er erhob Einspruch gegen seine Verhaftung. Der Staatsanwalt aber klagte ihn wegen Vergiftung seines Kindes an. Ruloff berief sich auf das Gesetz: Es gab keine Kindesleiche und damit keinen Tatbestand eines Mordes.
Dennoch verurteilte ihn das Schwurgericht zum Tode.
Ruloff beantragte Revision.
Die Berufung ging ihren Instanzenweg bis ans Bundesgericht. Aber Ruloff verließ sich nicht auf die unsichere Hoffnung einer Revision. Er dachte sich einen Fluchtplan aus.
Seine gewinnende Art, seine Freundlichkeit und seine hohe Bildung erleichterten es ihm, das Vertrauen des Gefängnisdirektors Jarvis zu gewinnen. Jarvis bat Ruloff, seinen Sohn im Lateinischen, Französischen und in Stenographie zu unterrichten. Das ging einige Zeit gut, Ruloff hatte viel Bewegungsfreiheit. Dann plötzlich waren Ruloff und der Junge verschwunden. Trotz hoher Belohnung gelang es nicht, Ruloff zu ergreifen.
Ruloff war nach Pennsylvania geflüchtet. Was mit dem Sohn des Gefängnisdirektors geschah, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. Er wird erst Jahre später wieder Ruloffs Lebensweg kreuzen. Ruloff nahm einen falschen Namen an und Schloss nun als Mr. Nelson eine Verbindung mit einem Mr. Richmond, der eine
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