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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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Familie, denn er war vielseitig beschlagen. Vielleicht kam er auch aus niederen Verhältnissen. Dann müsste er sich mit erstaunlicher Energie durch Selbststudium weitergebildet haben.
    Unzweifelhaft jedoch lag über seiner Vergangenheit ein Geheimnis. Edward Ruloff tauchte im Mai 1842 in der Stadt Dryden im Staate New York auf. Er war etwa 50 Jahre alt und völlig mittellos. Er nahm eine Arbeit als Kanalarbeiter an und erwies sich dabei als verlässlicher Arbeiter. Niemand ahnte, dass dieser Mann mit den harten Fäusten zuvor als Botaniker und Arzt tätig gewesen war, dass er Lateinisch und Altgriechisch beherrschte und - wenn es erforderlich war - die Umgangsformen der feinen Gesellschaft besaß.
    Auch aus den Gerichtsakten ist nicht ersichtlich, was Ruloffs sozialen Abstieg vom Arzt zum Kanalarbeiter bewirkt hatte.
    Ruloff, das ist wie der Stoff zu einem romantischen Roman des 19. Jahrhunderts: Ein Mann verbirgt etwas und sich selbst. Alles ist in Wirklichkeit anders, als es erscheint.
    Was im folgenden Jahr, 1843, geschah, lässt sich nur aus den damals herrschenden amerikanischen Verhältnissen verstehen. Ein großes weites Land mit noch unentwickelter Kommunikation, die Menschen meist noch ohne persönliche Ausweise, mit denen sie sich legitimieren konnten, nicht überprüfbar, wo und was sie gelernt oder studiert hatten, sondern nur beurteilt nach ihrer offensichtlichen Leistung.
    Und weil Ruloff etwas leistete, weil er keine Papiere, wohl aber Wissen und Bildung vorzuweisen hatte, vollzog sich mit dem Kanalarbeiter Ruloff bald die märchenhafte Verwandlung in einen angesehenen Bürger. Bereits 1843 erhielt er eine Stellung als Apotheker und beherrschte bald alle Kenntnisse für diesen Beruf besser als seine Kollegen.
    Noch im gleichen Jahr wechselte er seinen Beruf und nahm am Gymnasium von Dryden eine Lehrtätigkeit für alte und neue Sprachen auf. Die Schüler beteten den liebenswürdigen und vergnüglichen Lehrer an. Die 16jährige Schülerin Harriett Schutt war von allen Mädchen am kühnsten und zeigte ihm unübersehbar, dass sie leidenschaftlich in ihn verliebt war. Auch Ruloff empfand Zuneigung für das Mädchen und zögerte nicht, diese Situation zu nutzen. Harriet entstammte einer einflussreichen Familie in Dryden. Heiratete er in diese Familie ein, so würde das seinen gesellschaftlichen Aufstieg weiter fördern.
    Harriets Familie allerdings besaß das Misstrauen der Alteingesessenen gegenüber einem Fremden. Dieser Unbekannte wollte Harriet heiraten - wer war dieser Mann? Woher kam er, wer konnte für ihn bürgen? Man bat ihn, Nachforschungen über seine Vergangenheit zu gestatten. Ruloff wehrte lächelnd ab, wozu solche umständlichen Erkundigungen? Er sei Arzt, habe einen guten Ruf als Lehrer, das müsse doch wahrlich genügen. Und da Ruloff nicht nur ein tadelloses Benehmen zeigte, sondern die Menschen mit geschickten Reden für sich einzunehmen verstand, willigte Harriets Familie schließlich in die Heirat ein. Die Hochzeit fand am 31. Dezember 1843 statt.
    Aber Harriets Glück währte nur wenige Wochen. In Dryden lebte ein älterer Arzt, der mit der Familie Schutt befreundet war. Seit Ruloff Dr. Bull bei dessen Besuchen in der Familie Schutt kennengelernt hatte, kam es zwischen beiden zu Reibereien. Immer wieder gerieten sie wegen irgendwelcher medizinischer Probleme in Streit. Das führte zu einer andauernden Spannung.
    Eines Nachmittags, drei Wochen nach der Hochzeit, besuchte Dr. Bull wiederum die Schutts und küsste bei der Begrüßung nicht nur Harriets Eltern, sondern auch Harriet. Wütend verließ Ruloff die Wohnung. Erst abends, nachdem Dr. Bull wieder gegangen war, kehrte Ruloff zurück.
    Er suchte Harriet in ihrem Zimmer auf und beschimpfte sie, weil sie sich von Dr. Bull küssen lasse. Harriet entgegnete ihrem Mann, er habe überhaupt keinen Grund zur Eifersucht. Dr. Bull sei für sie nichts anderes als ein alter väterlicher Freund. Ruloff schlug Harriet mitten ins Gesicht. Sie schrie auf. Er zog ein Fläschchen aus der Rocktasche, entkorkte es und presste die Öffnung auf Harriets krampfhaft geschlossenen Mund. Harriet suchte das Fläschchen von sich zu stoßen und rief verzweifelt nach ihrer Schwester Jane. Ruloff bemühte sich erneut, seiner Frau den Inhalt des Fläschchens einzuflößen. Da kam Jane ins Zimmer geeilt.
    Ruloff ließ von Harriet ab. »Er will mich vergiften!« schluchzte Harriet.
    Ruloff warf das Fläschchen aus dem Fenster. »Unsinn!« sagte er zu Jane. »Es war

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