Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
Bericht
veröffentlichen.
Freeman schwor Ruloff, diese Bedingung einzuhalten. Dann erzählte ihm Ruloff seine Version vom Tod Harriets. Es habe ihn geärgert, dass seine Frau sich dem Einfluss ihrer Familie nicht entziehen konnte oder wollte. Sie habe sich sogar von dem alten Dr. Bull Intimitäten gefallen lassen. Sein Versuch, Harriet zu vergiften, sei fehlgeschlagen. Dann sei er wieder einmal mit ihr in Streit geraten. In seiner Wut habe er ihr mit der Keule eines Mörsers den Schädel zerschmettert. Sie fiel nieder, das schreiende Kind im Arm.
Ruloff fügte hinzu, er bedaure die Tat, es sei kein Mord, sondern eine Tat des Jähzorns gewesen.
Auf Freemans Frage, was mit dem Kind geschehen sei, gab Ruloff immer nur widersprüchliche Antworten. Einmal behauptete er, er habe es zu guten Freunden gebracht, die es aufgezogen hätten. Ein andermal gestand er, das Kind mit einem Betäubungsmittel beruhigt zu haben. In der Aufregung habe er ihm eine zu hohe Dosis gegeben.
Wesentlich ausführlicher berichtete Ruloff über die Jahrzehnte nach der Ermordung von Frau und Kind, über seine Einbrüche, sein Leben im Kerker von Sing Sing. Mit sichtlichem Behagen schilderte er seine Tätigkeit als Sektenprediger.
Schließlich gestand er auch, Mirrick erschossen zu haben.
Nach Ruloffs Hinrichtung am 18. Mai 1872 veröffentlichte Freeman das Interview unter dem Titel »Der gehobene Schleier des Geheimnisses«.
Aber auch dieses Buch enthüllte das Geheimnis dieses merkwürdigen Lebens nur unbefriedigend. Denn Ruloff hatte in seinem Bericht vieles im dunkeln gelassen, und das sicherlich aus Scham. Ruloff verdankte seine traurige Berühmtheil nicht so sehr seinen einzelnen Verbrechen, sondern vielmehr seiner gespaltenen Persönlichkeit, die ihn gleichzeitig zu einem vielseitigen und hochbegabten Menschen und einem von Affekten getriebenen Verbrecher machte. Es fiele schwer, allein widrige äußere Umstände für diese gescheiterte Existenz verantwortlich zu machen. Denn gerade die Gunst der ungeordneten gesellschaftlichen Verhältnisse erlaubte ihm immer wieder, als Arzt, als Lehrer, als Techniker Fuß zu fassen. Niemals nutzte er seine Chancen, Unruhe und Haltlosigkeit ließen ihn nirgends eine familiäre, eine berufliche Bleibe finden. Sicherlich hatte Harriets Familie ihn zurückgestoßen, aber auch das nicht grundlos. Denn mit seinem jähzornigen Charakter stieß auch er die Menschen ab, und seine Frau, die ihn anfangs liebte, war noch zu jung, um ihn behutsam zu lenken. Ob er sie dann im Streit tötete oder ob es ein überlegter Mord war - er hatte ja zuvor nach eigenem Geständnis einen Giftmord geplant - bleibt offen. Von diesem Tage an war er auf der Flucht, vor der Polizei und vor sich selbst. Dieser Jahrzehnte dauernde Kampf um Freiheit und Leben konnte zwar seine Anlagen und seine Intelligenz nicht auslöschen, ließ sie aber auch nicht zu schöpferischer Entfaltung kommen. Es gehörte zur Ironie seines Lebens, dass einzig die Zuchthausverwaltung von seinen Erfindungen profitierte.
Der Mordfall Ruloff - ein alter Fall, vom Staub eines Jahrhunderts bedeckt. Und doch nicht überlebt, nie überlebt wie die Spaltung der menschlichen Persönlichkeit.
Lebendig verbrannt
Der Fall des Zahnarztes Dr. Richard Müller, der in zwei Schwurgerichtsprozessen 1955 und 1956 verhandelt wurde, gehört zu den sensationellen Kriminalfällen dieses Jahrhunderts. Er erregte zu seiner Zeit größtes Aufsehen, das auch durch die lange Prozessdauer nicht abgeschwächt wurde.
Der Fall Dr. Müller war, wie der Gerichtsmediziner Prof. Dr. Mueller sagte, kein sogenannter Paradefall für die Gerichtsmediziner, den sie völlig geklärt hätten. Das ist, wenn man den Fall in seinen verwirrenden Einzelheiten kennt, jedoch eine Untertreibung. Tatsächlich haben Kriminaltechniker und Gerichtsmediziner viel Licht in das Dunkel der Vorgänge gebracht.
Dass Dr. Müller seine Frau getötet hat, wurde ohne jeden Zweifel geklärt. Unklar allein blieb, wie es geschah.
Die Indizien zogen der Erklärung, wie die Tat geschehen war, enge Grenzen. Dem Täter kam der Tod seiner Ehefrau gelegen, er liebte eine andere Frau. Deshalb könnte vermutet werden, er habe seine Frau vorsätzlich ermordet. Wahrscheinlicher ist, dass er, blind vom Affekt, seine Frau unwissentlich tötete und damit der Kriminalfall eine tragische Note erhielt.
Der 45jährige Zahnarzt Dr. Richard Müller besaß einen Wagen vom Typ Borgward. Müller war blasenkrank. Die Wagenheizung
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