Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
setzte dieses in Brand.
Auf Grund des medizinischen Erstgutachtens und der Fettembolie hatte man bisher angenommen, Müller habe seine Frau mit einem Werkzeug oder einem Stein schwer verletzt. Die neuen Gutachten widerlegten diese Ansicht. Die Zweitgutachter hatten im Gegensatz zum Erstgutachter doch in den Luftwegen reichlich Rußpartikel gefunden. Sie waren in Schleim eingebettet und von Prof. Wagner übersehen worden. Differenzen zwischen den Gutachtern gab es auch hinsichtlich der Fettembolie. Sie gehört, wie Prof. Randerath äußerte, zu den umstrittenen Symptomen in der Gerichtsmedizin. Prof. Mueller teilte diese Meinung. Die Fettembolie könnte auch anders entstanden sein als durch eine Verletzung: »Sowohl die Lunge als auch die Nieren hatten nach der Freilegung durch das Feuer eine Weile im Körperfett geschmort. Darauf wies ihr makroskopisches Aussehen hin. Hierbei war verflüssigtes Fett von den Gewebespalten angesaugt worden.«
Nach Ansicht der Zweitgutachter lag also keine wirkliche Fettembolie vor. Dies und der Ruß in den Luftwegen ließ mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass Frau Müller hei Ausbruch des Brandes noch gelebt hatte.
Alle drei Gutachter einigten sich darauf, dass eine Verletzung durch stumpfe Gewalt nicht bewiesen sei.
Der psychiatrische Sachverständige Prof. v. Baeyer nannte Müller voll zurechnungsfähig. Aber Müller sei kein roher, brutaler Mensch, der seine Frau lebendigen Leibes verbrennen würde. Manche Zeugen hatten gesagt, Müller habe sich am Tatort heuchlerisch und theatralisch benommen. Er als Gutachter könne diese Meinung nicht teilen. Müller sei einer solchen kalt berechneten Verstellung nicht fähig. Seine Verzweiflung über den Tod seiner Frau sei teilweise echt gewesen.
Der Staatsanwalt beantragte lebenslänglich wegen vorsätzlichen Mordes, der Verteidiger Freispruch mangels Beweisen. Das Gericht verurteilte Dr. Müller wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung zu sechs Jahren Freiheitsentzug. Es begründete das Urteil folgendermaßen: Müller hatte kein einleuchtendes Motiv, seine Frau zu töten. Es gab auch keinen Beweis, dass er die Tötung vorbereitet hatte. Der Kauf von 20 Litern Katalyt sei durch die angekündigte Preissteigerung erklärbar.
Im Prozess war Müller jedoch nach Meinung des Gerichts mehrerer Lügen überführt worden. Die Radkappe hatte sich nicht von selbst gelöst, er hatte sie abmontiert. Auch hatte er nach Ausbruch des Feuers nicht ernstlich versucht, seine Frau zu retten. Dass er die rechte Wagentür durch den Baum absichtlich blockiert hatte, war anzunehmen, aber nicht zu beweisen. Die Apothekerflasche hatte er nicht während des Brandes aus dem Wagen gezogen, sondern ihren Inhalt zuvor auf seine Frau ausgegossen. Seine Frau hatte bei Ausbruch des Feuers nicht mehr auf dem Beifahrersitz gesessen, sondern er hatte sie zuvor auf den Fahrersitz gezogen. Besonders belastend war, dass er einen Benzinkanister, mit der offenen Mündung auf seine Frau gerichtet, neben sie auf den Sitz gestellt hatte.
Wie jedoch Müller seine Frau handlungsunfähig und bewusstlos gemacht hatte, konnte das Gericht nicht beantworten, und der Angeklagte schwieg.
Der Gerichtsmediziner Prof. Mueller, dem wir diesen Bericht verdanken, schließt daran seine eigene Tatrekonstruktion. Er stützt sich dabei auf die Ermittlung und die Gutachten der Sachverständigen. Das meiste deckt sich mit den Auffassungen des Gerichts. Wo direkte Beweise fehlen, schließt der Gerichtsmediziner die Lücke durch eigene Vermutungen.
Es lässt sich denken, schreibt Prof. Mueller, dass es irgendwann auf der Heimfahrt zwischen Dr. Müller und seiner Frau zu einem Streit kam. Dieser begann, wie von Zeugen bekundet, wahrscheinlich schon nach dem ersten Besuch. Vielleicht hielt Frau Müller ihrem Mann einen Seitensprung vor. Vielleicht sogar zog sie wütend den von ihrem Mann geschenkten Ring ab und warf ihn zu Boden. Müller wurde im Zorn handgreiflich und würgte sie so, dass sie bewusstlos wurde. Bewusstlosigkeit tritt rasch ein, wenn bei einem Würgegriff Druck auf einen Nervenknoten an der Teilungsstelle der Halsschlagader ausgeübt wird.
Man kann sich vorstellen, führt Prof. Mueller weiter aus, dass Dr. Müller nun die Nerven verlor und seine Frau für tot hielt. Er wollte die vermeintliche Tötung als Unfall tarnen, indem er den Wagen in Brand setzte. Sicherlich hätte Müller das Feuer nicht gelegt, hätte er Gewusst, dass seine Frau noch
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