Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
vor Zorn, Isabellas Heimkehr.
Wie er sie tötete, hat er nie verraten. Es entsprach seinem Wesen, dass es eine Affekthandlung war: Totschlag bei einer Auseinandersetzung aus Eifersucht.
Aber Ruxton beließ es nicht beim Totschlag. Er fügte ihm gleich noch einen Mord hinzu. Im Hause Ruxton wohnte das 20jährige Dienstmädchen Mary Rogerson. Mary nahm, sicherlich zufällig und unbeabsichtigt, das tödliche Ende des Streits wahr. Ruxton brachte noch in derselben Nacht die Zeugin um.
Und danach setzte sich auch bei diesem Mörder in Gang, was Dr. Crippen und Ruloff und andere auf gleiche Weise zu vermeintlichem Selbstschutz trieb: Er versuchte, die Leichen zu verbergen und ihr Verschwinden auf harmlose Weise zu erklären ...
An der Autostraße, die die englische Stadt Lancaster mit dem schottischen Edinburgh verbindet, liegt in der Nähe des Kurortes Moffat die Linnschlucht, über die eine weitgeschwungene hohe Brücke führt.
Am 29. September 1935 ging Miss Johnson, die in Moffat zur Kur war, in der Schlucht spazieren. Unweit des Brückenpfeilers sah sie mehrere verschnürte Pakete liegen. Sie waren mit Zeitungen und blutiger Wäsche umhüllt. Miss Johnson benachrichtigte die Polizei.
Die Polizei durchsuchte das Gelände und sammelte weitere Pakete ein. Beim Öffnen der Bündel kamen insgesamt etwa siebzig zerstückelte menschliche Körperteile, darunter zwei Köpfe und ein Rumpf, zum Vorschein.
Bei genauerer Untersuchung fand man auch ein sogenanntes Zyklopenauge. Das ist eine Missbildung, bei der beide Augäpfel miteinander verwachsen sind und in einer gemeinsamen Augenhöhle liegen. Dieser Defekt kommt manchmal bei Tieren vor, sehr selten auch beim Menschen. Die Anwesenheit des Zyklopenauges war besonders rätselhaft. Es gehörte nicht zu den aufgefundenen Köpfen.
Prof. Sidney Smith, Ordinarius des Gerichtsmedizinischen Instituts in Edinburgh, erhielt die Leichenteile zur Begutachtung. Er sollte sie identifizieren. Das war in diesem Fall schwierig genug.
Bei einer Leiche fehlte der gesamte Rumpf, bei der andern mehrere Körperteile. Außerdem hatte der Mörder mit methodischer Genauigkeit die Toten unkenntlich zu machen versucht. Er hatte ihre Gesichter zerstört und besondere Kennzeichen am Körper beseitigt. Er hatte sogar begonnen, die Fingerkuppen zu entfernen, damit keine Fingerabdrücke genommen werden konnten.
Zunächst ordneten die Gerichtsmediziner die einzelnen Teile, um sie möglichst zu einem Ganzen zusammenfügen zu können. Bei einem der Körper war das verhältnismäßig einfach. Hier waren noch sämtliche Wirbel erhalten. Die aneinandergelegten Teile wurden geröntgt. Erst dann war die Rekonstruktion erfolgreich. Die einzelnen Teile passten zueinander. Mit Hilfe des Halswirbels konnte der zugehörige Kopf bestimmt werden.
Auch das Geschlecht der Leichen ließ sich feststellen. Der Mörder hatte unter den Fleisch-, Fett- und Hautmassen, die er abgeschnitten hatte, drei weibliche Brüste und Teile von Geschlechtsorganen übersehen.
Nach der Länge der Knochen wurde die Körpergröße berechnet, nach der Knochenstruktur das Alter der Leichen. Die eine war 157 cm groß und zwischen 35 und 45 Jahren alt gewesen, die andere 151 cm und zwischen 21 und 22 Jahren.
Als nächstes suchte man nach der Todesursache. Die Schnitte waren den Opfern erst nach dem Tode, bei ihrer Zerstückelung, zugefügt worden. Bei beiden Toten war das Zungenbein gebrochen. Diese Verletzung sowie die Beschaffenheit von Herz und Lungen deuteten auf einen Erstickungstod durch Erwürgen. Nach dem Grad der Fäulnis zu schließen, war der Tod vor zehn bis vierzehn Tagen erfolgt.
Mit Hilfe der Todeszeitbestimmung begann die Polizei nachzuforschen, wer zu dieser Zeit als vermisst gemeldet worden war. Sie stieß auf die Anzeige des Arbeiters Rogerson aus Lancaster. Seine Tochter, die als Kindermädchen bei dem Arzt Dr. Ruxton gearbeitet hatte, war seit zwei Wochen spurlos verschwunden.
Und, wie sich bald herausstellte, verschwunden seit diesem Tage war auch Isabella Ruxton.
Die Kriminalpolizei begann sich für Dr. Ruxton zu interessieren. Er hatte das Verschwinden seiner Frau nicht verheimlicht. Im Gegenteil, er hatte allen möglichen Leuten erzählt, sie wäre mit einem Geliebten davongegangen. Manche glaubten die Geschichte, andere nicht. Und einige bekamen eine ganz neue Version zu hören: Isabella besuche ihre Schwester in Edinburgh. Und schließlich: Sie sei zur Kur in Schottland.
Aber niemand hatte Ruxton genauere
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