Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
erlitt sie mehrmals einen Kollaps.
Die Kriminalpolizei beschäftigte sich auch mit dem mehrmaligen Kauf von Katalyt. Müller erklärte ihn mit der bevorstehenden Preissteigerung. Fr habe loses Katalyt gekauft, weil es billiger sei als das in verplombten Kanistern. Doch hatte er, um loses Katalyt aufzutreiben, mehr Benzin verfahren, als er eingespart hatte.
Die Kriminalpolizei erfuhr auch von Müllers Auftrag an Tilly, Briefe und Fotos zu vernichten.
Das Landeskriminalamt erstattete ein kriminaltechnisches und ein kraftfahrzeugtechnisches Gutachten über den Autobrand. Die Sachverständigen schlossen einen Brand aus natürlichen Ursachen aus.
Prof. Wagner nahm die gerichtsmedizinische Untersuchung der Leichenteile vor. Er fand Anzeichen dafür, dass der Frau Müller kurz vor ihrem Verbrennungstod stärkere äußere Verletzungen zugefügt worden waren.
Am 20. Mai 1955 erhob die Staatsanwaltschaft Mordanklage gegen Dr. Müller. Als Motiv nannte sie seine Absicht, sich der Ehefrau zu entledigen, um Tilly heiraten zu können. Indizien für den Mord seien u. a. die Beschaffung und Aufbewahrungsweise des Katalyts und die Autofahrt in der Todesnacht. Die Anklageschrift ließ offen, auf welche Weise Müller seine Frau getötet hatte, um sie anschließend zu verbrennen.
Der Schwurgerichtsprozess fand vom November 1955 bis Februar 1956 beim Landgericht in Kaiserslautern statt. Bereits vor Prozessbeginn war Müller einer Lüge überführt worden. Er hatte behauptet, den Wagen angehalten und verlassen zu haben, um eine abgefallene Radkappe zu suchen. Der KfzSachverständige hatte die Radkappe untersucht. Ihre Federung war intakt. Die Rappe konnte nicht von selbst abgefallen sein. Sie zeigte frische Kratzspuren, war also kürzlich mit Hilfe eines scharfen Gegenstandes abgehoben worden.
Im Prozess musste Müller diese Tatsache zugeben. Nun erklärte er, er habe die Radkappe abgenommen, um einen Igel hineinzulegen, der ihm über den Weg gelaufen war. Seine Behauptung rief lange Debatten hervor, ob im Februar nachts
Igel herumliefen.
Müller bestritt entschieden, er habe das Katalyt gekauft, um damit seine Frau zu verbrennen. Einen 20-Liter-Kanister Vorrat zu haben, sei doch nicht ungewöhnlich, zumal der Preis steigen sollte. Zur Brandursache wiederholte er, entweder sei der Heizofen explodiert oder seine Frau habe mit Streichhölzern hantiert und ausgelaufenes Katalyt habe sich entzündet.
Sachverständige wiesen nach, dass Katalytöfen nur bei einem Bedienungsfehler explodieren könnten. Was die Entzündung von ausgelaufenem Katalyt angehe, so argumentierte der Sachverständige Dr. Leszczynski: »Dazu musste Frau Müller einen Kanister an die linke Seite gestellt haben, an der er gefunden worden war. Sie musste zweitens durch Anstoßen an das Steuerrad den Korken, mit dem der Kanister verschlossen war, entfernt haben. Es musste dabei drittens eine größere Menge Benzin aus dem Kanister auf den Boden und auf ihre Kleidung gelaufen sein. Sie musste viertens ein Streichholz entzündet haben, um besser sehen zu können. Fünftens musste sich durch diese offene Flamme das verschüttete Katalyt entzündet haben. Und sechstens musste durch die hierbei entstandene kurze Hitze der Tank des links vorn stehenden Katalytofens einen gewissen Überdruck entwickelt haben, so dass am oberen Ende des Ofens eine offene Flamme entstehen konnte.« So viele Zufälle hielt der Sachverständige für ausgeschlossen. Am unwahrscheinlichsten erschien ihm, dass Frau Müller, wenn schon Benzin ausgelaufen war, dann auch noch ein Streichholz angesteckt haben sollte.
Zwei weitere Kfz-Sachverständige schlossen andere Brandursachen durch Kabel- oder Vergaserbrand aus. Die Kanister waren nicht explodiert. Die Apothekerflasche war bereits vor dem Brand entleert worden.
Alle Zeugen bestätigten, dass die linke Wagentür etwas
offengestanden hatte. Nach Experimenten von Dr. Leszczynski dauert es etwa eine Minute, bis sich ein Brand so weit entwickelt hat, dass man nicht mehr nach draußen gelangen kann. Frau Müller hätte sich retten können. In weiteren Versuchen am gleichen Wagentyp und mit einer Puppe widerlegten die Sachverständigen Müllers Vermutung, ausgelaufenes Katalyt habe den Brand verursacht. Anhand des Tatortsberichts setzten sie, entsprechend den Behauptungen Müllers, einen Wagen mit einer Puppe darin in Brand. Sie protokollierten die Entwicklung des Feuers und wiesen nach, dass die angeblich ausgelaufene Menge Katalyt niemals
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