Moerderische Familienbande
auch noch an Höhenangst litt.
Und das sollten wir glauben?
Die Behörden taten es offenbar. Richter Haskins hatte dafür gesorgt.
„Halt dich da raus, Patricia Anne“, konnte ich Fred noch sagen hören, der jetzt auf dem Weg nach Atlanta war. Der Gute. Er hatte so viel von sich selbst in sein Geschäft investiert.
Ich seufzte, griff nach dem Telefon und rief den Big, Bold and Beautiful Shop an. Ich brauchte jemanden, der meiner Geschichte aufmerksam zuhörte. Jemanden, der weder Trinity noch Richter Haskins oder gar Georgiana Peach kannte.
„Big, Bold and Beautiful“, meldete sich Bonnie Blue vergnügt.
„Geh mit mir essen“, sagte ich.
„Hey, Patricia Anne, ich habe gerade an dich gedacht. Wie kommt es, dass du heute keinen Förderunterricht gibst?“
„Frühlingsferien.“ Seit meiner Pensionierung gab ich an der örtlichen High School Förderstunden, vor allem in Mathematik. Und nach all den Jahren, in denen ich Aufsätze hatte korrigieren müssen, war Mathe die helle Freude. „Kannst du mittags freimachen?“
„Klar. Gehen wir ins Green and White?“
„Da hängen einem immer die Farne in den Teller.“
„Okay, du alte Mäkeltante. Such du was aus. Ich kann aber nur für eine Stunde weg.“
„Wie wär's, wenn ich uns im Piggly Wiggly was auf die Hand hole und wir in den Park gehen?“
„Klingt gut. Nimm aber nicht den Kartoffelsalat mit Senf.“
„In Ordnung. Um eins?“
„Prima.“
Als ich auflegte, ging es mir besser. Bonnie Blue Butler hat stets diese Wirkung auf mich.
Ich wechselte die Bettwäsche im Gästezimmer und warf die Waschmaschine an. Nachdem ich die letzte Schnecke gegessen hatte, machte ich die Küche sauber und wischte sogar den Boden. Dann saugte ich im Wohnzimmer, duschte, erkämpfte mir in der Mittagszeit einen Parkplatz beim Piggly Wiggly und fuhr zum Big, Bold and Beautiful Shop. Ich war zehn Minuten zu spät, und Bonnie Blue stand bereits wartend vor der Tür.
„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich.
Sie warf einen Blick ins Auto. „Hauptsache, du hast nicht die Sorte mit dem Senf gekauft.“
Wir fanden einen leeren Betontisch samt Bank. Ich hatte ein rotweißes Plastiktischtuch mitgebracht, das ich ausbrei-
rere, während Bonnie Blue den Inhalt des Einkaufsbeutels musterte.
„Mmm. Polnische Essiggurken. Ich Hebe diese Dinger. Mmmm. Gebackene Bohnen.“
„Ich habe für jede von uns auch noch eine Hühnerbrust“, sagte ich.
„Und Diätcola. Danke, Patricia Anne.“
Wir füllten unsere Teller und griffen zu. Ich war überrascht, wie hungrig ich nach all den Hefeschnecken war.
„Das ist prima“, sagte Bonnie Blue und nahm einen großen Bissen von dem Huhn. „Eine gute Ideellen stimmte ihr zu. Aufgrund der Ferien und des warmen Tages rannten Unmengen spielender Kinder im Park herum. Ich beobachtete sie träge während des Essens.
„Kartoffelsalat“, sagte Bonnie Blue. Ich reichte ihr die Schachtel.
„Ich muss dir was erzählen“, sagte ich, als unsere Teller leer waren und wir die Deckel wieder auf die Kartons setzten.
„Was? Dass du noch einen Keks willst?“
„Nein. Du weißt, dass ich deinem Urteil vertraue, ja?“
„Du Hebe Güte, Patricia Anne. Was hast du denn jetzt wieder angestellt?“
„Nichts. Gar nichts. Darüber wollte ich ja mit dir reden.“
„Okay. Aber tu dann bloß nicht, was ich dir sage, sonst bin ich noch schuld.“
„Versprochen. Jetzt hör aber zu, die Sache ist nämlich ziemlich kompliziert. Erinnerst du dich an diese nette Cousine von Henry, die bei der Hochzeit die Mutter des Bräutigams vertreten hat? Meg Bryan?“
Bonnie Blue nickte. „Natürlich. Das ist doch die, die Ahnenforschung betreibt.“
„Betrieb,
Bonnie Blue. Vergangenheit. Diese Frau ist letzten Montag aus dem Gerichtsgebäude gesprungen und hat Selbstmord verübt. Zumindest sagen das die Behörden.“
„Wie bitte?“
Ich hatte Bonnie Blues volle Aufmerksamkeit. Ich erzählte ihr von dem Mittagessen, den Kalbsmedaillons mit Orangensauce, Richter Haskins, der Bibliothek und den Sirenen, dem Park und der Leiche. Ich erzählte ihr von dem Computer, von Trinity, Georgiana Peach und dem Drogenfahnder, der unter der Autobahnbrücke lebte. Aber vor allem erzählte ich ihr, dass ich nicht an einen Selbstmord von Meg Bryan glaubte.
Bonnie Blue hörte mir aufmerksam zu und nickte gelegentlich. Als ich endlich alles abgespult hatte, klopfte sie nachdenklich mit dem Zeigefinger an ihre Lippen und blickte zu den spielenden Kindern
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