Moerderische Familienbande
etwas mit mir besprechen wolle, und Schwesterherz, die sich mit Bonnie Blue zum Mittagessen traf und mir mitteilte, ich könne mitkommen, wenn ich wolle.
Ich löschte die Nachricht von dem Reparaturdienst, hörte mir aber die von Georgiana noch einmal an. Ihre dünne Stimme klang angespannt und zittrig, so als würde sie sich nicht gut fühlen. Ich wählte die Nummer, die sie hinterlassen hatte, landete aber auf ihrem Anrufbeantworter. Gegenseitiges Hinterhertelefonieren.
Was Mary Alice betraf, so wollte sie, wie sie mir mitteilte, als ich sie anrief, in den Big, Bold and Beautiful Shop gehen, um sich für Samstagabend etwas Neues zum Anziehen zu kaufen. Und ich würde auch was brauchen.
„Ich ziehe mein rotes Kostüm an“, sagte ich.
„Das rote Kostüm ist am Hintern abgewetzt, und die Schulterpolster sind zu groß. Im Moment trägt man keine so großen Schulterpolster.“
„Man vielleicht nicht, aber ich.“
„Wir sind ein wenig gereizt, nicht wahr? Was ist mit den Sachen, die du zur Hochzeit anhattest?“
„Die sind zu elegant. Ich habe dir doch gesagt, dass ich mein rotes Kostüm anziehe.“
„Cut. In Ordnung. Gütiger Himmel.“ Mary Alice machte eine Pause. „Bonnie Blue und ich essen im Blue Moon zu Mittag. Soll ich dich abholen kommen?“
„Ich habe heute Nachmittag was vor.“ In Wahrheit war ich verärgert. An meinem roten Kostüm war, verdammt noch mal, nichts, aber auch gar nichts verkehrt.
„Was machst du denn?“
„Ich habe einen Termin“, log ich.
„Bei einem Arzt? Bist du krank, Maus? Was fehlt dir denn?“ Schwesterherz klang so besorgt, dass ich Gewissensbisse hatte. Zumindest leichte.
„Nein, nicht bei einem Arzt. Mir geht's gut. Ich gehe nur in die Bibliothek“, gab ich zu.
„Du hast einen Termin in der Bibliothek? Was für einen Termin willst du denn in der Bibliothek haben?“
„Ich will mich wegen eines Programms austauschen“, log ich neuerlich, die nächstbeste Ausrede ergreifend, die mir in den Sinn kam.
„Wegen was für einem Programm?“
Mein Gott, wann würde ich endlich lernen, dass es einfach zu viel Arger machte, wenn man Schwesterherz anlog. Sechzig Jahre waren offenkundig dafür nicht ausreichend.
Irgendwie gelang es mir aber doch, mich in für sie zufriedenstellender Weise aus dem Netz zu befreien, in dem ich mich verfangen hatte. Ich machte mir ein Sandwich mit Erdnussbutter und Bananen fürs Mittagessen fertig, packte ein, was ich mir gestern notiert hatte, und machte mich auf den Weg zur Bibliothek.
Cheerleader-Emily las heute ein Einrichtungsmagazin. Sie
erkannte mich, informierte mich, dass Ms. Murphy auch wieder da sei — im Lesesaal —, und fragte mich, ob ich sie sehen wolle.
Ich bedankte mich, das sei nicht nötig, ich wolle in der Montgomery-County-Abteilung arbeiten.
„Alles klar.“ Das Mädchen lehnte sich vor und zeigte mir ein Foto von einem kunstvollen georgianischen Blumenarrangement auf einem riesigen Mahagoni-Esstisch. „Gefällt Ihnen das, Mrs. Hollowell?“
„Zu pompös für meinen Geschmack.“
„Hmmm.“ Sie studierte das Foto. „Irgendwie mag ich es.“
Ein gewisser junger Mann, dachte ich, sollte sich besser gut anschnallen.
Ich peilte die Abteilung an, in der ich am Vortag gearbeitet hatte, und legte mein Notizbuch auf den Tisch. Einen Tisch weiter unten, stellte ich fest, saß Camille Atchison über ein Buch gebeugt. Ich ging zu ihr und setzte mich ihr gegenüber, was sie weniger aus der Fassung zu bringen schien als mich.
Sie sah mit einem kühlen Blick auf und schaute dann wieder auf ihr Buch hinab. „Erzählen Sie mir von Meg Bryan“, sagte ich mit leiser Stimme.
„Wer sind Sie?“ Ihre grünen Augen taxierten mich.
„Ich bin Patricia Anne Hollowell. Sie waren am Samstag auf der Hochzeit meiner Nichte.“
„Sie hat ein paar Mal die Symphonische Gesellschaft, in deren Vorstand ich bin, kostenlos beraten. Eine nette Frau.“
„Ja, das ist sie. Aber was ist mit Meg Bryan?“
„Sie war ein Miststück. Ich glaube, so habe ich sie auch auf der Hochzeit genannt, und ich stehe dazu. Sie soll sich umgebracht haben? Nie im Leben. Wenn ich den Mut da-
zu gehabt härte, wäre ich es gewesen, die sie aus dem Fenster gestoßen hätte. Aber ich war es nicht.“ Camille wirkte nach wie vor kühl und ruhig. „Beantwortet das Ihre Frage?“
„Sie hat für Sie Ihre Familiengeschichte erforscht, stimmt's?“
„Willkürlich und falsch.“ Camille wurde rot im Gesicht. „Zum Glück konnte ich
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