Moerderische Familienbande
gebratene Reis mit Shrimps lagen mir wie Blei im Magen. Ich wollte Fred nicht wecken und legte mich mit einem Buch aufs Sofa. Als ich dann ein weiteres Mal erwachte, war es halb neun. Ein leeres Müslischälchen in der Spüle zeigte an, dass Fred gefrühstückt hatte. Er hatte auch Kaffee gekocht und die Kanne auf die Warmhalteplatte gestellt. Ich trank schnell eine Tasse und ging dann hinaus, um meinen Hund zu holen, der bereits ungeduldig auf mich wartete.
Der Regen, der vor ein paar Tagen gefallen war, hatte die Pollen weggewaschen und das Gras wachsen lassen. Das Geräusch von Rasenmähern in der Nachbarschaft bestätigte diese Tatsache. Die einzigen Wolken am Himmel waren zwei Kondensstreifen, und vom Berg herunter glänzte Vulcanus gewaltig. Meine Nachbarin Mitzi Phizer
war bereits im Garten und werkelte an ihren Blumen herum.
„Du brauchst so einen hier“, sagte sie und deutete auf den großen Strohhut, der ihr Gesicht beschattete.
„Ich habe Sunblocker aufgetragen. Lichtschutzfaktor 100 oder so.“ Ich lehnte mich über ihren Zaun. „Was für Blumen sind das?“
„Das sind Pfingstrosen, Patricia Anne. Gewöhnliche alte Pfingstrosen. Du musst meinem Cartenclub beitreten, jetzt, da du im Ruhestand bist! Es ist unvorstellbar für mich, dass jemand in den Südstaaten aufgewachsen ist und keine Pfingstrose erkennt.“
„Ich schäme mich so.“ Mitzi und ich grinsten uns an.
„Wir treffen uns jeden dritten Dienstag. Ich meine es ernst.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht nur keine Pfingstrose erkennen, ich kann auch kein Galadium von einer Amaryllis unterscheiden. Sie würden mich gleich wieder rauswerfen. Erspar dir die Demütigung.“
„Wahrscheinlich hast du recht. Das ist wirklich empörend.“ Mitzi setzte ihren Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. „Es ist jetzt schon heiß. Denk mal, wie es erst im Juli sein wird.“
„Lieber nicht.“ Ich wickelte Woofers Leine von meinem Bein.
„Arthur und Fred sollten beide in den Ruhestand gehen. Wir könnten dann im Sommer irgendwohin fahren, wo es kühl ist.-
„Bei Gott, das ist wahr.“
„Aber da besteht nicht der Hauch einer Chance, oder?“
„Jedenfalls nicht so bald.“ Woofer legte sich geduldig zu meinen Füßen nieder. „Erinnerst du dich an Philip Nach-man?“, fragte ich Mitzi.
„Mary Alices zweiten Mann? Natürlich. Ein gutaussehender Kerl. Warum?“
„Nun ja, sein Neffe, Philip der Zweite, hat die Stelle des Brautvaters an Debbies Hochzeit vertreten. Ich hab dir doch von ihm erzählt, oder? Jedenfalls glaube ich, dass Haley sich in ihn verliebt hat.“
„Das ist ja wundervoll, Patricia Anne! Haley war seit Tonis Tod so allein.“
„Ich finde es auch wundervoll. Aber er ist ungefähr zwanzig Jahre älter als sie.“
„Na und? Magst du ihn?“
„Sehr. Er ist Witwer, hat erwachsene Kinder und ist Ohrenarzt.“
„Ein HNO-Doktor? Lieber Gott! Sag ihr, sie soll den Typen heiraten.“
„Diese Einzelheit entzückt Fred ebenfalls.“ Wir lächelten uns an.
„Hat's ihn genauso erwischt wie sie?“
„Sieht so aus.“
„Klingt gut. Macht dir der Altersunterschied wirklich Kopfzerbrechen?“
„Na ja, ich denke nur immer daran, dass sie, wenn er ihr Alter hätte, ein ganzes Leben zusammen verbringen könnten.“
„Tom war so alt wie sie“, erinnerte mich Mitzi. „Es gibt keine Garantien, Patricia Anne.“
„Richtig.“ Ich bewegte meinen Fuß, um Woofer zum Aufstehen zu animieren. „Danke, Dr. Peale.“
„Norman Vincent für dich, meine Liebe. Ganz zu deiner Verfügung.“
Ich beendete putzmunter meinen Spaziergang, gab Woofer sein Futter, füllte mir selbst ein Schälchen mit Cheerios und setzte mich, um die Zeitung zu lesen. Das war ein Feh-
ler. Binnen zweier Sekunden verfiel ich in Depressionen. Drei Tödliche Schießereien, ein Flugzeugabsturz und eine Massenkarambolage auf der Autobahn zierten die Titelseite. Ich legte die Zeitung nieder und schaltete >Der Preis ist heiß< im Fernsehen an. Innerhalb weniger Minuten fühlte ich mich besser. Der Moderator Bob Barker hob meine Laune wie Mitzi eben. Als dann eine dicke alte Dame mit der Aufschrift „One of Barker's Beauties“ auf dem T-Shirt einen Lexus gewann, ging es mir wieder gut.
„Diese Welt ist zu viel für uns“, murmelte ich, während ich zur Dusche lief.
Drei Telefonnachrichten warteten auf mich, als ich wieder herauskam: die eines Reparaturunternehmens, Geor-giana Peach, die sagte, dass sie gerne
Weitere Kostenlose Bücher