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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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müsste er zu Hause gewesen sein.
    Danach hatte er das Notwendige in eine Sporttasche gepackt und Växjö verlassen. Warum, war unklar. Er hatte bereits Eintrittskarten für das Konzert von Gyllene Tider am selben Abend auf Öland, aber seit er die erstanden hatte, war unleugbar viel passiert. Hatte es sich um einen halbherzigen Fluchtversuch gehandelt? Einen Versuch, sich ein Alibi zu besorgen, und in diesem Fall einen Grund, nicht mit dem Bus nach Kalmar zu fahren?
    Vermutlich hatte er dann beschlossen, den alten Saab des Flugkapitäns zu knacken, dachte Lewin. Sich in einen Bus zu setzen, wäre nicht gerade umsichtig gewesen. Besser, er fuhr allein.
    Zu Fuß geht er von seiner Wohnung im Fröväg den einen Kilometer zum Parkplatz am Högstorpsväg. Irgendwann gegen sechs Uhr morgens wird er von der zweiundneunzig Jahre alten Zeugin gesehen, stiehlt den Wagen und fährt los. Wenn er schnell gegangen ist, konnte er die Strecke zwischen seiner Wohnung und dem Parkplatz durchaus in dieser Zeit zurückgelegt haben.
    Ungefähr um Viertel nach sechs fährt er dann nach Kalmar, und etwa zehn Kilometer vor dem Stadtrand lässt er den Wagen stehen. Es ist jetzt wohl kurz vor acht, wenn er sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten hat, dachte Lewin.
    Des Autos entledigt er sich vermutlich rasch, und jetzt ist es etwa halb neun. Wie er nach Kalmar gelangt, ist unklar. Nach den Rekonstruktionen der Polizei hätte er es zu Fuß schaffen können. Er hätte zwei Stunden Zeit gehabt für die zehn Kilometer zum Haus der Frau, die er um kurz nach neun angerufen hatte. Im Bus hatte niemand ihn gesehen, und niemand konnte berichten, ihn per Anhalter mitgenommen zu haben.
    In Kalmar und auf Öland verbringt er dann den ganzen Freitag bis gegen Mitternacht. Die junge Frau, mit der er vom Konzert verschwunden war, hatte sich nicht gemeldet, obwohl sie in den Medien darum gebeten worden war.
    Wo er das restliche Wochenende verbracht hatte, war unklar. Und egal wo, am Montagmorgen hatte er wieder an seinem Arbeitsplatz in Växjö gesessen.
     
    »Jan Lewin ist ein genauer Mann«, stellte Anna Holt nach beendeter Lektüre fest.

»Vielleicht ein wenig zu langatmig für meinen Geschmack«, wandte Mattei ein. »Und er hat eine überaus ängstliche Art, Tatsachen aufzuführen. Ich glaube, dass er Tatsachen benutzt, um seine eigenen Ängste im Zaum zu halten.«
    »Nicht wie Johansson mit seinen vielen Geschichten über seine eigenen Heldentaten und das idiotische Versagen aller anderen«, sagte Holt und blickte Mattei neugierig an.
     
    Lisa Mattei fand das auch. Lars Martin Johansson habe nicht die geringste Ähnlichkeit mit Jan Lewin, obwohl sie beide im gleichen Alter waren. Im Gegenteil. Lars Martin Johanssons Polizeigeschichten hatten ihr mehr über Polizeiarbeit beigebracht als fast alles andere, was sie gehört, gelesen oder getan hatte. Außerdem war er ungeheuer unterhaltsam, und immer hatten seine Geschichten eine pädagogische Pointe.
    »Und sie sind natürlich die reine Wahrheit«, sagte Holt und lächelte glücklich.
     
    Die reine Wahrheit, glaubte Lisa Mattei, und einfach einzigartig insofern, als Lars Martin Johansson einer der wenigen Menschen war, die begriffen hatten, dass es manchmal nur eine Möglichkeit der Wahrheitssuche gab, nämlich einen inneren Dialog mit sich selbst. Das, was ausgerechnet Skinner in seinen wissenschaftlichen Abhandlungen über Introspektion als Weg zu Wahrheit und Licht geschildert hatte. Und was nicht die geringste Gemeinsamkeit mit unserer alltäglichen und hausbackenen Vorstellung vom Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge aufwies.
    »Johansson lügt doch wohl nie«, korrigierte Holt.
    »Nicht auf die übliche Weise, nein«, sagte Mattei. »Der Typ ist er nicht. Johansson belügt andere nie.«
    »Was ist er denn dann für ein Typ?«
    »Möglicherweise belügt er sich selbst«, sagte Mattei und klang plötzlich ziemlich schroff.
    »Warum heiratest du ihn nicht, Lisa«, fragte Holt.
    »Er ist schon verheiratet. Und ich glaube nicht, dass ich sein Typ bin«, sagte Lisa und seufzte.
     
    91
     
    Am Montag ging Anna Holt dann in die Offensive und konfrontierte Bengt Mänsson mit Lewins Aufstellung über seine Unternehmungen. Die freundlich lauschende Lisa Mattei war durch Anna Sandberg ersetzt worden, und sei es nur, um ihn an sein einziges und großes Interesse im Leben zu erinnern.
    »Wie willst du vorgehen, Anna«, fragte Anna Sandberg.
    »Ich rede, du hörst zu. Wenn ich will, dass du etwas

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