Moerderische Idylle
behandelt?«
Mänsson hatte nicht vor, darüber zu sprechen. Nicht mit Holt, nicht mit irgendeinem anderen Menschen.
»Sag das nicht«, sagte Holt. »Vielleicht kann ich dir helfen.«
Wie sollte sie Mänsson helfen können, wenn es um den Adoptivvater ging? Der war doch schon tot. Was könnte eine wie Holt denn mit ihm machen? Ihn in den Knast stecken ja wohl kaum. Dass sie und ihre Kollegen ihn, Mänsson, in Stücke reißen konnten, hatte er ja schon begriffen, aber über die Toten hatten sie doch wohl keine Macht?
Anna Holt machte drei Versuche. Näherte sich aus unterschiedlichen Richtungen. Ließ sich Zeit. Das Ergebnis blieb immer das gleiche. Entweder hatte er keine Erinnerungen, oder er wollte nicht darüber sprechen.
»Wenn du das sagst, bekomme ich den Eindruck, dass es etwas gibt, was du mir über deine Eltern und vor allem über deinen Adoptivvater gerne erzählen würdest. Ich schlage vor, du überlegst dir die Sache«, sagte Holt und nickte.
»Was hat uns das gebracht«, fragte sie Mattei, sowie sie Mänsson im Arrest abgeliefert hatten.
»Er benutzt dich, um die Geschichte zu testen, die er dann anderen erzählen wird«, meinte Mattei.
Woher Mattei das wisse? Weil sie schon nach Holts erster Frage und Mänssons erster Antwort begriffen hatte, was er drei Stunden später auf die letzte Frage antworten würde.
»Das höre ich ja gern«, sagte Anna Holt. »Vielleicht reicht es, wenn ich in Zukunft nur noch mit dir rede.«
»Wenn ich du wäre, würde ich mich geschmeichelt fühlen«, sagte Mattei. »Warum sollte er riskieren, dass du seine Geschichte jetzt schon ruinierst? Die hebt er sich doch besser für die Weißkittel auf. Bei denen braucht er sich keine Sorgen zu machen, dass sie durch die Gegend rennen und Leute fragen, die möglicherweise dabei gewesen sind. Um festzustellen, ob er die Wahrheit sagt.«
»Du traust ihm doch nicht so viel List zu?«
»Er ist nicht sonderlich listig«, sagte Mattei. »Aber er weiß genau, wie man Mädels anlügt. Wie man sich angesichts einer misstrauischen Kundin verkauft. Das ist seine Spezialität.«
»Und ich bin einfach eine dusselige Tusse«, sagte Holt und lächelte.
»Nicht für Bengt Mänsson«, sagte Mattei und schüttelte ihr blondes Haupt. »Für ihn bist du eine clevere Tusse. Eine gefährliche Tusse.«
»Aber trotzdem wird er zwischen meinen Beinen landen«, sagte Holt.
»Das darfst du so nicht sagen, Anna«, sagte Mattei und seufzte. »Dazu bist du zu gut. Ich meine nur, dass er im tiefsten Herzen absolut überzeugt davon ist, dass er am Ende auch dich aufs Kreuz legen wird. Rein bildlich gesprochen, meine ich.«
»Das glaubt er also«, sagte Holt düster.
»Wie könnte er denn etwas anderes glauben«, fragte Mattei.
Nachmittags hatte Mänsson sich mit Hilfe des Personals bei Anna Holt gemeldet. Er müsse noch einmal mit ihr sprechen. Es sei wichtig. Innerhalb einer Viertelstunde, nachdem sie das erfahren hatte, saß Anna Holt in seiner Zelle. Es ging Mänsson sehr schlecht. Außerdem begriff er nicht, warum. Plötzlich litt er unter heftiger Angst und verstand nicht so recht, was in seinem Kopf passierte. Als er kurz vor Holts Eintreffen zur Toilette gegangen war, hatte ihn der Schwindel übermannt, und er war umgefallen.
»Ich sorge dafür, dass du mit einem Arzt sprechen kannst«, sagte Holt. »Ja bitte«, sagte Mänsson.
Auf dem Weg nach draußen erkundigte sich Holt beim Personal.
»Wie geht’s Mänsson eigentlich?«
»Was hast du mit dem denn gemacht«, fragte der Kollege und lächelte strahlend. »Als er vorhin aufs Klo wollte, schien er total weggetreten. Und lag auf der Nase, ehe ich ihn packen konnte.«
»Und was hältst du davon?«
»So gut hab ich das noch nie gesehen. Die Ohnmachtsnummer, meine ich. Hat den Oscar für die beste männliche Hauptrolle verdient.«
Als sie dann zum Hotel gehen wollte, entdeckte Anna Holt am Schwarzen Brett einen Zettel, der eigentlich nichts mit ihrer Ermittlung zu tun hatte.
Es war eine Seite aus einem Vernehmungsprotokoll, und es ging um die Journalistin, die Bäckström wegen sexueller Nötigung angezeigt hatte.
Der Kollege aus Växjö, der die Geschädigte vernommen hatte, war offenbar kein Anfänger. Unter anderem schien er genau zu wissen, welches Gewicht Staatsanwaltschaft und Gericht auf den Unterschied zwischen nachlässiger oder auch nur unvollständiger Bekleidung und jener Nacktheit legen, die zu sexuellen und unsittlichen Zwecken vonnöten
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