Moerderische Idylle
Wichtiges. Es war wichtig, dass sie ihm zuhörten. Erstens habe er Linda nicht ermordet. Sie hatten Sex miteinander gehabt. Ganz freiwillig. Aber er habe ihr wirklich nichts angetan.
»Woher willst du das wissen«, fiel Anna Sandberg ihm ins Wort. »Du kannst dich doch an nichts erinnern!«
Mänsson wusste es, ohne sich erinnern zu können. Niemals wäre er zu so etwas fähig. Er konnte es sich ja nicht einmal vorstellen.
»Überleg es dir«, schlug Holt vor und beendete das Verhör.
»Jetzt haben wir ihn in die Wohnung gebracht. Wir haben ihn auf das Sofa gesetzt, und jetzt treibt er es mit Linda«, sagte Anna Sandberg und sah genauso blutrünstig aus, wie sie sich die ganze Zeit schon fühlte.
»Sicher«, sagte Anna Holt und zuckte mit den Schultern. »Aber er erzählt es nicht unseretwegen.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht«, sagte Anna Sandberg.
»Wir werden ihn nicht weiterbringen«, sagte Anna Holt und schüttelte den Kopf. »Er wollte nur sein schwarzes Loch vorstellen.«
»Er gibt immerhin zu, dass er sich nicht erinnern kann«, sagte Anna Sandberg.
»So blöd ist er nicht«, meinte Holt. »Er kann ja schließlich lesen, was Enoksson und Kollegen festgestellt haben. Dafür hat doch sein Anwalt gesorgt.«
»Eines beschäftigt mich ja«, sagte Anna Sandberg. »Warum versucht er es nicht auf die andere Tour? Mit dem Sexspiel, das schiefgelaufen ist«, erklärte sie.
»Die einfachste Erklärung ist sicher, dass sein Anwalt ihm entschieden davon abgeraten hat«, sagte Holt und seufzte leise.
92
In der letzten Nacht in Växjö träumte Jan Lewin von dem Sommer, in dem sein Vater ihm Rad fahren beigebracht hatte. In diesem Sommer hatte er sein erstes richtiges Fahrrad bekommen, ein rotes Crescent Valiant. Und in diesem Sommer war sein Vater an Krebs gestorben.
Als er aufwachte und ins Badezimmer ging, musste er das Fenster aufreißen, um Luft zu bekommen. Draußen regnete es. Ein stiller Regen unter dunklen Wolken. Kalt war es außerdem geworden.
Was mache ich bloß hier, dachte er. Es ist jetzt vorbei. Zeit, nach Hause zu fahren.
93
Mitten in der Woche hatten Jan Lewin und Eva Svanström sie verlassen. Sie hatten ihre Arbeit getan und wurden nicht mehr gebraucht. Jedenfalls nicht in Växjö. Auf der Fahrt nach Stockholm suchte Lewin den Mut, um Eva vorzuschlagen, nun endlich Ordnung in ihre Beziehung zu bringen. Er wolle sich von seiner Frau scheiden lassen, sie solle ihren Mann verlassen. Und dann mit ihm zusammenziehen. Eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Höchste Zeit, nicht zuletzt für ihn, denn zumindest sein Leben wurde jetzt rasch kürzer.
Aber das wurde nie gesagt, und wenn wir bedenken, was in Eva Svanströms Kopf vor sich ging, war es vielleicht auch besser so. In Stockholm wollte sie nämlich sofort den Versuch unternehmen, ihre Ehe wieder in Ordnung zu bringen und Jan Lewin für die nette Zeit zu danken. Eigentlich waren es zu viele Jahre gewesen, aber die Tage mit ihm hatten diese Jahre für sie erträglieh gemacht. Wie immer man das erklären kann, dachte sie. Wenn das Herz nicht mehr schlägt und in der Brust nur noch ein schwarzes Loch klafft, das du nicht mehr ansehen magst. Und noch weniger willst du irgendwem davon erzählen.
Keine Erinnerungen vor der Einschulung. Eine Mutter, über die er nicht sprechen wollte. Ein Adoptivvater, der unter einem Grabstein ruhte, der es nicht einmal wert war, angepisst zu werden. Ein schwarzes Loch, an das er sich sehr gut erinnern konnte. Eine unerschütterliche Überzeugung, dass er Linda nichts angetan hatte. Die bloße Vorstellung war schon unerträglich, und deshalb konnte er es auch nicht getan haben.
Noch sechs Verhöre zu diesem Thema, und die Staatsanwältin war bei den letzten drei zugegen. Auf einmal war er von drei Frauen umgeben, die abwechselnd mit ihm redeten. Katarina Wibom, Anna Holt und Anna Sandberg.
»Drei gegen einen«, sagte Mänsson, auch wenn sein humoriges Lächeln überaus aufgesetzt wirkte.
»Wir dachten, du wärst am liebsten mit Frauen zusammen, Bengt«, sagte Katarina Wibom. »Je mehr, desto besser, haben wir uns eingebildet.«
Übrig war noch das schwarze Loch, in dem Bengt Mänsson sich ihrer technischen Beweisführung nach in jener Stunde befunden haben musste, in der er Linda Wallin vergewaltigt, gequält und ermordet hatte. Das Auto, das er etwa eine Stunde später gestohlen hatte, um wegzufahren und alles hinter sich zu lassen, war dabei von begrenztem
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