Mörderische Kaiser Route
Schlingenhagen vorliege. „Wer weiß, weiche Ungereimtheiten da vielleicht noch auf uns zukommen.“
Irgendwie machte mich diese Bemerkung stutzig. Wieso konnte der Kommissar von Ungereimtheiten sprechen, wenn er eben noch keine Untersuchung vornehmen wollte? Anscheinend hatte er meine Überlegung erraten.
„Sie haben Recht, Herr Grundler, eine schmerzhafte Klarheit lässt uns auf Dauer bestimmt ruhiger leben als eine Ungewissheit, die allen Spekulationen freien Lauf lässt.“ Dietrich schaute versonnen in seine leere Kaffeetasse.
„Wo lebte eigentlich die ermordete Schülerin?“, fragte ich, weniger aus besonderem Interesse heraus als vielmehr, um das Gespräch fortzuführen.
„Nicht weit von hier“, bekam ich von Dietrich zur Antwort. „In Salzkotten, knapp zwanzig Kilometer entfernt die B 1 entlang in Richtung Dortmund.“ Der Kommissar grinste verlegen. „Das Dorf kann ich Ihnen wärmstens empfehlen. Dort gibt es mit Abstand das beste Eis im Paderborner Land.“
Das Stichwort Eis brachte mich auf die beiden Toten zurück. Sie würden wahrscheinlich auch schon auf Eis liegen und dort bleiben, bis sie endlich zu ihrer ewigen Ruhe gebettet wurden.
Schweigsam gingen Dieter und ich zum Hotel zurück und nahmen einen kleinen Happen zu uns. Während mein Freund die schwierige Aufgabe erledigte, den alten Schlingenhagen über den Tod seines Sohnes aufzuklären, nahm ich mir die Landkarte vor.
Ich musste mich ablenken, um nicht mitzuhören und mitzuleiden. Das Überbringen von Todesnachrichten war eine der Aufgaben, die ich nach Möglichkeiten weit von mir schob, und ich war froh, als Dieter nach einem letzten Kondolenzgruß das Telefonat beendete.
Er atmete tief durch und schaute mich betroffen an.
Was sollten wir machen? Es war zu spät, um in Richtung Heimat aufzubrechen, und es war noch zu früh, um die angeblich schönen Musikkneipen, die uns der ortskundige Kommissar empfohlen hatte, zu suchen.
„Fahren wir halt nach Salzkotten ein Eis essen“, schlug ich Dieter vor. Die paar Kilometer hin und zurück reichten zwar gerade einmal aus, um die Muskulatur zu lockern, aber sie würden uns auf andere Gedanken bringen.
Nach einer zügigen Fahrt über Feldwege parallel zu einer Umgehungsstraße bogen wir in Salzkotten von der Bundesstraße ab und landeten auf einem verkehrsberuhigten Marktplatz mit dem Rathaus und einer attraktiven Brunnenanlage.
Auch in diesem Dorf schien sich alles ums Wasser zu drehen, bemerkte ich zu Dieter, während wir uns einer italienischen Eisdiele in einer modernen und doch harmonisch alt wirkenden Häuserzeile zuwandten. Das Eis war wirklich verdammt gut und dabei auch nicht teuerer als in Aachen.
Mit dem Hörnchen in der Hand schoben wir die Fahrräder über die gepflasterte Straße und überquerten einen kleinen Fluss, an dem sich ein Mühlrad drehte und auf dessen gegenüberliegender Seite ein Gradierwerk in die Höhe ragte. Wir setzten uns auf eine der davorstehenden hölzernen Bänke und atmeten die leicht salzhaltige Luft ein, die durch das über das Strauchwerk herabrieselnde Wasser angereichert wurde.
Hier ließe es sich auch leben, meinte ich zu Dieter, der ablehnend den Kopf schüttelte.
„Ich will nach Hause“, brummte er. „Was willst du in so einem westfälische Kaff?“
Damit waren wir wieder bei einem unserer Lieblingsthemen, beim unübertroffenen Selbstverständnis der Öcher, die nur sich kannten und todunglücklich waren, wenn sie länger als zwei Tage auf ihresgleichen verzichten mussten und die deshalb fast alles ablehnten, was nicht aus Aachen kam.
„Du hast bestimmt kalt, wa?“ stichelte ich, als Dieter sich unruhig über die Arme strich. „Du musst in Mamas Bett.“
Ich wurde versöhnlich.
„Wann wollen wir los in Richtung Aachen?“
„Wenn’s nach mir geht, so schnell wie möglich“, antwortete mein Freund.
„Also morgen?“
Mein Brötchengeber stimmte mir zu.
„Aber nur, wenn du mir erlaubst, dass ich das Handy mitnehmen darf. Schließlich wollen wir ja immer auf dem Laufenden sein und sofort informiert werden, wenn das Untersuchungsergebnis von Schlingenhagen vorliegt. Daran bist du ja bestimmt sehr interessiert.“
Steinerne Zeugen
Dieter bezeichnete mich als hoffnungslosen Pedanten, als ich am Sonntag beim Start unserer Tour darauf bestand, zunächst die Räder bis zum Dom zu schieben und von dort loszufahren und nicht, wie von meinem Freund gewünscht, direkt ab dem Hotel. Das sei nicht korrekt, hatte ich mich
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