Moerderische Kuesse
verantwortlich?
Rodrigo war rasend vor Zorn und Schmerz. Der bloße Gedanke an diese Möglichkeit genügte, um sie erwürgen zu wollen, aber unter diesen Gefühlen warnte ihn eine kühle Stimme, dass sie ihm möglicherweise etwas erzählen konnte, das ihm bei seinen Nachforschungen weiterhelfen würde.
Er musste herausfinden, wer seinen Vater vergiftet hatte, und ihn – oder sie – eliminieren. Die Organisation konnte einen solchen Frevel nicht ohne Vergeltung hinnehmen, sonst würde Rodrigos Ruf leiden: Und da er eben dabei war, in Salvatores Fußstapfen zu treten, konnte er sich keine Zweifel an seinen Fähigkeiten oder seiner Entschlossenheit leisten. Er musste den Täter ausfindig machen. Leider gab es da unzählige Kandidaten. Wenn man mit Tod und Geld handelte, war praktisch alle Welt betroffen. Und da auch Denise vergiftet worden war, musste er auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Täter eine eifersüchtige ehemalige Geliebte seines Vaters war – oder einer von Denises Exliebhabern.
Dr. Vincenzo Giordano klopfte höflich gegen den Holzrahmen der offenen Tür und trat dann ein. Rodrigo warf ihm einen kurzen Blick zu; der Mann sah abgezehrt aus, und seine sonst so ordentlichen grau melierten Locken wirkten zerzaust, so als hätte er sich die Haare gerauft. Der gute Doktor war seit seiner Jugend mit seinem Vater befreundet gewesen und hatte hemmungslos geweint, als Salvatore vor nicht einmal zwei Stunden dahingeschieden war.
»Warum ist sie nicht auch tot?« Rodrigo deutete auf die Frau im Bett.
Vincenzo nahm Denises Puls und hörte ihr Herz ab. »Sie könnte durchaus noch sterben«, sagte er und fuhr sich mit der Hand über das müde Gesicht. »Ihr Puls geht zu schnell und zu schwach. Aber vielleicht hat sie weniger von dem Gift abbekommen als Ihr Vater.«
»Glauben Sie immer noch, dass es Pilze waren?«
»Ich sagte, es sieht aus wie eine Pilzvergiftung – im Wesentlichen. Aber es gibt auch Unterschiede. Zum einen die Geschwindigkeit, mit der die Wirkung eingetreten ist.
Salvatore war ein großer, kräftig gebauter Mann; als er gestern Nacht um eins nach Hause kam, fühlte er sich noch ausgezeichnet. Keine sechs Stunden später war er tot. Pilze wirken langsamer; selbst die giftigsten töten erst nach etwa zwei Tagen. Die Symptome waren demnach ähnlich; das Tempo nicht.«
»Und es war kein Cyanid oder Strichnin?«
»Strichnin war es auf keinen Fall. Das äußert sich ganz anders. Und Cyanid tötet innerhalb weniger Minuten und löst dabei starke Krämpfe aus. Salvatore hatte keine Krämpfe. Bei einer Arsenvergiftung sind die Symptome zwar ähnlich, aber sie weichen doch so weit ab, dass man Arsen ebenfalls ausschließen kann.«
»Können Sie irgendwie genau feststellen, was man ihm gegeben hat?«
Vincenzo seufzte. »Ich bin nicht einmal sicher, dass es tatsächlich ein Gift war. Es könnte auch ein Virus gewesen sein, dem wir dann aber alle ausgesetzt gewesen wären.«
»Und warum ist Salvatores Fahrer nichts passiert? Wenn dieses Virus schon nach wenigen Stunden wirkt, dann müsste er inzwischen ebenfalls krank sein.«
»Ich sagte, dass es ein Virus sein könnte, nicht dass es eines ist. Ich kann ein paar Tests machen oder mit Ihrer Erlaubnis Salvatores Leber und Nieren sezieren. Ich kann sein Blutbild mit dem der Frau vergleichen – wie heißt sie noch mal?«
»Denise Morel.«
»Ach ja, ich entsinne mich. Er hat mir von ihr erzählt.«
Vincenzos dunkle Augen wurden traurig. »Ich glaube, er war verliebt.«
»Pah. Irgendwann hätte er das Interesse an ihr verloren. So wie immer.« Rodrigo schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klar bekommen. »Das genügt. Können Sie sie retten?«
»Nein. Entweder sie überlebt, oder sie stirbt. Ich kann da gar nichts machen.«
Rodrigo überließ Vincenzo seinen Tests und ging in den Kellerraum, in dem seine Männer M. Durand gefangen hielten.
Der Franzose sah mitgenommen aus, aus seiner Nase mäanderten dünne Blutrinnsale, aber ansonsten hatten Rodrigos Männer ihre Schläge auf den Rumpf beschränkt, wo sie schmerzhafter und weniger sichtbar waren.
»Monsieur Nervi«, krächzte der Wirt, als er Rodrigo sah, und begann vor Erleichterung zu weinen. »Ich flehe Sie an!
Was auch passiert ist, ich weiß nichts! Ehrenwort!«
Rodrigo zog einen Stuhl heran, setzte sich M. Durand gegenüber, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Mein Vater hat gestern Abend in Ihrem Restaurant etwas gegessen, das ihm nicht bekommen
Weitere Kostenlose Bücher