Moerderische Schaerennaechte
mussten und wie wir das erlebt haben«, fuhr Jan-Erik Fredell fort. »Er hatte ein Formular dabei, das hat er ausgefüllt, während wir uns unterhielten.«
»Warum hat er ausgerechnet zu Ihnen Kontakt aufgenommen?«
»Das war wohl Zufall. Er hatte ein Jubiläums-Jahrbuch gefunden, in dem mein Name stand.«
Eine erneute Hustenattacke unterbrach das Gespräch, und Thomas wartete geduldig, bis Fredell wieder zu Atem gekommen war.
»Was haben Sie ihm erzählt?«, fragte Thomas schließlich.
»Wir sprachen über eine Reihe alter Vorfälle. Aber das ist lange her, über dreißig Jahre, und mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut.«
»Bei welcher Truppengattung haben Sie gedient?«
»Ich war Küstenjäger.«
Küstenjäger.
Thomas sah grün gekleidete junge Männer mit Stoppelhaarschnitt und Barett vor sich. Soldaten aus Leidenschaft, die für das Militär lebten und unglaubliche Strapazen ertrugen, um ihre Überlegenheit zu beweisen.
»Dann waren Sie auf Korsö stationiert?«
Ein wehmütiges Lächeln.
»Ja. Kennen Sie die Insel?«
»Ich war jahrelang bei der Wasserschutzpolizei, und auf Korsö gibt es eine Übernachtungsstation. Außerdem habe ich ein Sommerhaus auf Harö, das ist ganz in der Nähe.«
Es war Jan-Erik Fredell anzumerken, dass ihn das Gespräch erschöpfte, und Thomas verstummte. Der ältere Mann zitterte jetzt stärker als zu Beginn des Besuchs, und er ließ den Kopf hängen, als sei er zu schwer, um vom Hals getragen zu werden. Die Haut war runzelig und schlug Falten in der Halsgrube. Er erinnerte an einen Truthahn, der mit dem Schnabel auf der Brust schlief.
Thomas sah auf die Uhr. Jan-Erik Fredell würde nicht mehr viel länger durchhalten.
»Gab es irgendeine Frage von Marcus, über die Sie gestutzt haben?«
Ein Kopfschütteln, dann ein mattes Lächeln.
»Ich weiß nicht. Ich bin so müde. Er war ein angenehmer junger Mann. Es tut mir sehr leid, dass er tot ist.«
»Ich werde Sie nicht mehr lange stören«, sagte Thomas, »aber können Sie mir noch ein wenig mehr über Marcus’ Hausarbeit sagen?«
»Es ging um Gruppendynamik. Er sagte etwas auf Englisch, aber ich erinnere mich nicht mehr genau, was es war.«
Ich sollte Kontakt zu Marcus’ Tutor an der Universität aufnehmen, dachte Thomas, und mich erkundigen, woran er gearbeitet hat.
Jan-Erik Fredell räusperte sich und hustete wieder.
Thomas griff nach dem Glas Wasser.
»Wollen Sie etwas trinken?«
»Ja, danke.«
Thomas hielt ihm das Glas hin und Fredell trank einige Schlucke. Trotz des Strohhalms gingen ein paar Tropfen daneben.
Thomas fühlte Mitleid.
Es war bestimmt nicht leicht, in einem Alter, in dem man normalerweise noch voller Kraft und Elan war, krank und von anderen Menschen abhängig zu sein. Wenn die allereinfachsten Dinge, wie sich erheben, ein Glas Wasser trinken oder auf die Toilette gehen, plötzlich große Mühe bereiteten, anstatt wie nebenbei erledigt zu werden.
Lena Fredell kam ins Zimmer, so als hätte sie vor der Tür gestanden und gelauscht, aber nicht stören wollen.
Thomas fragte sich, wie oft sie sich wohl im Hintergrund bereithielt, um ihrem Mann zu helfen. Der liebevolle Blick, mit dem sie ihn ansah, zeugte von großer Geduld.
Sie beugte sich vor und wischte ihrem Mann die Wassertropfen vom Kinn, die danebengegangen waren. Dabei wurden einige blasse Narben auf der Stirn sichtbar, vermutlich hatte sie als Kind Windpocken gehabt.
Thomas bedankte sich und stand auf. Lena Fredell brachte ihn zur Tür.
»Darf ich fragen, woran Marcus gestorben ist?«, fragte sie im selben Moment, als Thomas hinausgehen wollte.
Er zögerte, aber die Frage war nicht unberechtigt.
»Es war Selbstmord. Er hat sich in seinem Zimmer erhängt.«
Ein Ausdruck des Erschreckens zuckte über Lena Fredells Gesicht.
»Wie furchtbar. Das konnte man wirklich nicht ahnen, als er hier war. Die arme Familie.«
Die Worte klangen Thomas noch in den Ohren, als er auf die Straße trat.
Kapitel 12
Es rasselte, als Thomas aufschloss. Das obere Schloss war nicht abgesperrt, also musste Pernilla schon zu Hause sein. Die Unruhe nagte in seinem Bauch. Ihre Stimme hatte so zaghaft geklungen, so angespannt, dass Thomas nach seinem Besuch bei den Fredells auf direktem Weg nach Hause gefahren war. Wirtschaftsdirektor Cronwall musste warten.
Er war mehrere Male kurz davor gewesen, sie am Nachmittag anzurufen, hatte es aber jedes Mal sein lassen. Sie hatte ja gesagt, dass es nichts Besonderes gab, und er wusste, wie beschäftigt sie
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