Moerderische Schaerennaechte
oftmals in der Anzeigenagentur war. Manchmal waren SMS die einzige Möglichkeit, einander zu erreichen.
Wenn er es recht bedachte, war Pernilla in der letzten Zeit nicht ganz in Form. Sie war abends ungewöhnlich schweigsam und ging früh zu Bett. Sie hatten beide eine Vorliebe für gutes Essen, aber meistens war er derjenige, der verschiedene Gerichte vorschlug, sie dagegen zeigte sich kaum interessiert.
Waren die Wunden der Scheidung doch noch nicht verheilt?
Nach Emilys Tod war er am Boden zerstört gewesen, er hatte sich nicht von dem Gedanken freimachen können, dass jemand verantwortlich für den Tod seiner Tochter sein musste. Am nächstliegenden war Pernilla; wenn es nicht ihre Schuld war, wessen dann?
Er wusste, dass er eine Menge wiedergutzumachen hatte, er hatte sich unverzeihlich benommen, als ihr Leben in Trümmer zerfiel.
»Hallo«, rief er versuchsweise. »Ich bin zu Hause.«
Er sah Pernillas Schuhe im Vorflur, aber in der Wohnung war alles still. Auf der Kommode in der Diele lag ihre Handtasche, zusammen mit dem Schlüsselbund.
»Hallo«, rief er wieder.
Lauter diesmal.
»Ich bin hier«, kam es leise zurück.
Thomas warf seine Jacke auf einen Stuhl in der Diele und ging mit schnellen Schritten zum Schlafzimmer.
Pernilla lag seitlich auf dem Bett, und er sah, dass sie geweint hatte. Ihre Lider waren geschwollen und sie knetete ein Taschentuch in den Händen. Das rotblonde Haar war zottelig, und die Sommersprossen, die von der Sonne hervorgelockt worden waren, zeichneten sich deutlich auf der blassen Haut ab.
An ihren Wimpern hingen Tränen.
»Was ist denn passiert?«
Thomas setzte sich auf die Bettkante und zog sie in seine Arme. Sie roch nach Seife und Apfelshampoo, und er verbarg seine Nase in ihrem Haar.
So saßen sie eine Weile, bis er sie schließlich sanft von sich schob, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte.
Sie versuchte zu lächeln, aber es wurde nicht mehr als ein Zittern daraus, als sie den Mund verzog.
Die Kälte in seiner Brust breitete sich aus.
Pernilla hatte sich während der ganzen Zeit seiner Genesung um ihn gekümmert. War es zu viel gewesen? Daran war er allein schuld, dessen war er sich wohl bewusst.
Thomas strich mit dem Zeigefinger über Pernillas Wange. Ihre Haut war weich und warm.
Dann begriff er, dass der Ausdruck in ihren Augen nicht von Trauer oder Schmerzen zeugte. Es war etwas ganz anderes. Sie war glücklich und erschrocken und schockiert, alles zugleich. Aber vor allem schien sie an dem, was sie ihm erzählen wollte, zu zweifeln.
Ihre Lippen bewegten sich, aber als sie die Worte aussprach, konnte auch er es kaum glauben.
Sie musste es immer wieder sagen, und erst, als sie gleichzeitig in Lachen und Weinen ausbrach, begriff er, dass es tatsächlich stimmte.
»Ich bin schwanger, Thomas. Wir bekommen wieder ein Kind.«
Tagebucheintrag November 1976
Meine Arme zittern immer noch, mir tut alles weh. Wir mussten uns mitten in der Nacht im Flur aufstellen, mit vorgestreckten Armen, und verschiedene Kleidungsstücke halten, immer eins nach dem anderen.
Wir durften die Arme nicht senken, egal, wie müde wir wurden. Die Muskeln schmerzten vor Anstrengung, aber wir durften die Haltung nicht verändern, nicht einen einzigen Millimeter.
»Nur eine Socke, halten Sie die am ausgestreckten Arm, Soldat!«, schrie der Uffz.
Wir standen eine Ewigkeit da und trauten uns nicht, den Mund aufzumachen und zu protestieren.
»Ihr werdet zu guten Soldaten erzogen. Ihr sollt die Anforderungen meistern, die der Krieg stellt!«, brüllte er durch das Halbdunkel.
Wenn jemand Einwände machte, wurde Jägerpause befohlen. Das ist eine teuflische Stellung. Man stemmt sich mit dem Rücken gegen die Wand und beugt die Knie im Neunziggradwinkel. Schon nach wenigen Minuten schreien die Schenkelmuskeln vor Schmerz. Sigurd und Andersson machten als Erste schlapp, sie brachen auf dem Boden zusammen und krümmten sich.
Der Uffz betrachtete sie wortlos. Aber voller Verachtung, wie mir schien. Vor allem, als sein Blick über Anderssons verkrampften Körper wanderte.
Fall bloß nicht in Ohnmacht, redete ich mir gut zu, während ich meine zitternden Oberschenkel zwang, die Stellung zu halten. Lieber Gott, lass mich nicht vor dem Uffz in Ohnmacht fallen.
Bevor wir schließlich zu Bett gehen durften, mussten wir noch die Nationalhymne singen.
Immer wieder. Lauter und lauter. Wir grölten wie die Geisteskranken. Bis wir in die Federn kamen, war es drei Uhr vorbei, und mir war ganz
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