Moerderische Schaerennaechte
dumpf auf den Apparat, der voller alter Fingerspuren war.
Es klingelte wieder.
»Kaufman«, meldete er sich mit heiserer Stimme.
Die Stimme war ihm unbekannt, aber er beantwortete die Frage trotzdem.
»Ja, ich bin zu Hause.«
Tagebucheintrag März 1977
Panik überfiel mich, als wir heute Morgen die Gasmaskenübung machen sollten. Schlimmer noch, ich brach vollkommen zusammen.
Wir mussten uns in einer Reihe aufstellen, und dann schoben sie immer zwei von uns in einen dunklen, gasgefüllten Raum. Darin war so dichter Rauch, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte; der Uffz musste mit der Taschenlampe Richtung Ausgang leuchten, sonst hätten wir nicht wieder nach draußen gefunden.
Die Anweisungen waren glasklar. Man sollte in den Raum gehen, die Gasmaske abnehmen, tief einatmen und die Maske wieder aufsetzen.
Dann musste man in der korrekten Form um Erlaubnis bitten, den Raum verlassen zu dürfen, damit sie einen wieder rausließen.
Beim Trockendurchgang vor der Übung lernten wir, dass Senfgas nach Knoblauch riecht, Stickstofflost dagegen deutlich nach Fisch. Nervengas tötet innerhalb von Minuten.
Während wir in der Schlange anstanden, wuchs die Nervosität. Einer nach dem anderen kam zurück, und sie hörten sich an, als wollten sie sich die Lunge aus dem Leib husten.
Kaufman kam herausgestürzt, fiel auf die Knie und übergab sich. Tief vornübergebeugt und am ganzen Körper zitternd würgte und würgte er, bis nur noch Galle kam.
Als ich an der Reihe war, hatte ich schon Atemnot. Der Puls pochte hinter der Stirn. Ich setzte die Maske auf, blieb aber an der Schwelle stehen. Der Uffz versetzte mir einen harten Stoß, und ich stolperte ein paar Schritte in den dunklen Raum hinein.
»Vorwärts«, murmelte er hinter der Maske.
Ich machte noch einige Schritte. Neben mir sah ich, wie zwei aus der Gruppe mit gläsernem Blick nach Luft rangen.
Mit zitternden Händen nahm ich die Gasmaske ab und atmete den Rauch ein.
Die Wirkung kam schlagartig.
Ich wollte kotzen, spucken und husten. Es brannte höllisch im Hals und an den ungeschützten Händen, und ich setzte die Maske sofort wieder auf. Aber es nützte nichts. Ich dachte, ich müsste auf der Stelle sterben.
Martinger packte mich.
Er schien auf seltsame Weise immun gegen das Gas zu sein. Später erfuhr ich, dass manche Menschen so reagieren. Das Gas kann ihnen nichts anhaben.
Er zog mich nach draußen und hielt mich fest, während ich versuchte, die Maske herunterzureißen, um frische Luft zu atmen.
»Beruhig dich!«, brüllte er mich an. »Atme in die Maske, du musst in die Maske atmen!«
Der Rotz lief mir aus der Nase, während ich wie von Sinnen schrie. Ich schlug und kratzte ihn, um von ihm loszukommen und mir das schwarze Gummiding vom Gesicht zu reißen.
Martingers Griff blieb eisenhart.
Später erzählte er, dass das Gas sich in der Kleidung festsetzt. Hätte ich mir die Maske heruntergerissen, wäre das, was noch in den Stofffalten saß, in mein ungeschütztes Gesicht gedampft.
Dann wäre alles noch viel schlimmer gewesen.
Meine Augen brennen immer noch. Die Panik vergesse ich nie.
Kapitel 36
Es war nach ein Uhr, und Nora fühlte sich rastlos. Sie hatte gut geschlafen und war erst um neun aufgewacht, fast ein persönlicher Rekord.
Nach einem ausgiebigen Frühstück hatte sie beschlossen, den Tag ganz gemütlich zu verbringen. Sie hatte einige Akten aus der Bank dabei, aber die konnte sie Sonntagabend auch noch lesen. Sie hatte keine Lust, dieses Wochenende an Arbeit zu denken. Stattdessen hatte sie sich mit einem Buch auf die Veranda gesetzt.
Sie ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, der zu gleichen Teilen aus Kaffee und Milch bestand. So trank sie ihn am liebsten, seit sie als Teenager begonnen hatte, den bitteren Geschmack zu mögen.
Nora hatte sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt, dass Tante Signes Küche nun ihre Küche war, obwohl sie ein paar eigene Sachen hineingestellt hatte. Signes Spitzengardinen hingen noch dort, frisch gewaschen zwar, aber ansonsten unverändert.
Sie setzte sich an den alten Küchentisch mit den weißen Sprossenstühlen. Die Stühle waren alt und abgenutzt, aber Nora mochte sie. Es musste nicht alles neu und makellos sein.
Durch das Fenster sah sie, dass die Eberesche dicke Beerendolden trug, was nach den Bauernregeln ein sicheres Zeichen dafür war, dass es einen strengen Winter geben würde. Das Laub hatte begonnen, sich zu verfärben, und einige Blätter trugen schon
Weitere Kostenlose Bücher