Moerderische Schaerennaechte
schöne rote und gelbe Farbtöne.
Unten an den Bootsschuppen sah sie Olle Granlund herumpusseln, und Nora fiel wieder ein, was sie Thomas versprochen hatte. Sie sollte ihn ja über Korsö ausfragen.
Rasch griff sie nach ihrer Jacke und schlüpfte in ein Paar alte Segelschuhe, die schon bessere Tage gesehen hatten. Sie zog die Tür hinter sich zu und ging hinunter zum Steg.
»Hallo Nachbar«, rief sie. »Wie geht’s, wie steht’s?«
Olle Granlund drehte sich um.
»Tag, Nora. Kommst du jetzt jedes Wochenende zu Besuch?«
»Ja, das könnte man fast meinen.«
Nora ließ sich auf der Bank nieder, die auf ein paar Steinen ruhte. Hellbraune Tangbüschel waren angespült worden und wiegten sich vor ihr im Wellenschlag. Die Luft war frisch und klar.
»Es ist schön hier draußen um diese Jahreszeit«, sagte sie.
»Und so wenig Touristen.«
»Es ist ruhiger geworden«, stimmte Nora zu. »Aber hier im Norden ist es fast immer ruhig, sogar im Juli, wenn die meisten kommen.«
»Ich erinnere mich noch, als fast überhaupt keine Leute hierherkamen. War gar nicht so übel.«
Die Touristen waren ein ständiges Gesprächsthema auf der Insel, fast ebenso unerschöpflich wie das Thema Wetter. Hatte man nichts anderes zu bereden, konnte man sich immer eine Weile das Maul über all die Urlauber zerreißen, die die Insel im Sommer heimsuchten. Wenn der Hafen vor Leuten wimmelte und man sein Fahrrad durch den Ort schieben musste, weil man anders nicht vorwärtskam.
»Du weißt, dass sie für das Überleben der Insel unverzichtbar sind«, sagte Nora wie so viele Male vorher. »Wie sollten die Geschäftsleute sonst existieren? Von dem bisschen, was du und ich einkaufen?«
Olle Granlund schnaubte, aber es war ein gutmütiges Schnauben. Er hatte eine blaue Latzhose an, und Nora sah, dass aus einer der Taschen ein abgenutzter Zollstock ragte.
Sie strich mit der Hand über die glatte Holzplanke. Das Brett war warm von der Sonne, und sie fragte sich, wie oft sie auf der schlichten Bank gesessen und zugesehen hatte, wie die Sonne im Meer versank.
Wie sollte sie das Gespräch auf Korsö bringen? Wenn sie erzählte, dass die Polizei sich dafür interessierte, würde Olle vielleicht nicht darüber reden wollen. Sie entschied sich für eine Halbwahrheit.
»Mir geht da was durch den Kopf. Du hast letztes Wochenende erzählt, dass du als Soldat auf Korsö stationiert warst. Ich habe einen Bekannten, der sich für die Geschichte der Insel interessiert. Erinnerst du dich noch an deine Zeit dort?«
Olle nickte.
»Ja, das kann man wohl sagen. Wolltest du etwas Bestimmtes wissen?«
Es wurde still, während Nora nachdachte. Thomas war nicht gerade eindeutig gewesen.
»Wusstest du, dass es russische Kriegsgefangene waren, die den Leuchtturm auf Korsö 1747 gebaut haben?«, unterbrach Olle Granlund ihre Überlegungen.
Nora schüttelte den Kopf.
»Wann ist die Küstenartillerie dorthin gekommen?«, fragte sie.
»Mal sehen.«
Olle Granlund lehnte sich auf der Bank zurück.
»Das war in der Zeit zwischen den Weltkriegen, als die Kriegsgefahr über Europa hing. Man wollte im Falle einer Invasion die Wasserstraßen absperren können, um die Zufahrt nach Stockholm zu verteidigen. Ich glaube, dass man Mitte der Dreißigerjahre anfing, die schwere Batterie zu bauen. Die Feuerleitanlage wurde im Turm untergebracht.«
Nora wusste, dass das Leuchtfeuer Korsö 1869 durch das Leuchtfeuer Sandhamn ersetzt worden war. Der Leuchtturm war daraufhin zum einfachen Turm geworden.
»War die ganze Insel befestigt?«, fragte sie.
»Sie wurde es nach und nach, da immer neue Wehranlagen hinzukamen. Als ich dort lag, waren viele der Tunnel bereits gegraben. Danach setzte man die Bautätigkeit fort, bis Mitte der Neunzigerjahre Korsös letztes Stündlein schlug. Die Batterie wurde entschärft und das meiste abgerissen oder zugemauert. Im Sommer wird die Anlage noch genutzt, aber bei Weitem nicht mehr im selben Umfang.«
Während Olle erzählte, straffte er die Schultern und gestikulierte mit den Händen. Nora ahnte in ihm den jungen Küstenjäger, der er einmal war.
»Woher weißt du das alles?«, fragte sie. »Du bist wie ein wandelndes Lexikon.«
»Einmal Küstenjäger, immer Küstenjäger.«
Olles Stimme hatte einen neuen Klang bekommen.
»Es gibt einen Verein für alte Haudegen wie mich, auf die Art erfährt man, was so vor sich geht. Ab und zu haben wir Veteranentreffen auf der Insel, die jungen Soldaten sind meist ganz begierig, uns alten Knaben
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