Moerderische Schaerennaechte
sie.
»Schon oft. Im Zwischenstock sind Küche und Schlafraum. Nicht groß, aber ausreichend.«
Olle Granlund tätschelte das raue Gemäuer, als wäre es ein lieber alter Freund.
»Außerdem wurde der Turm für verschiedene Übungen mit Soldaten benutzt.«
»Inwiefern?«
»Unter anderem musste man sich an der Außenwand abseilen, um Klettern zu üben.«
Nora zwinkerte.
»Du machst Witze, oder?«
Sie blickte wieder den Turm hinauf. Die Vorstellung, sich von dort oben abzuseilen, war beängstigend. Es gab nichts zum Festhalten, nichts, was einen Sturz auf die Felsen am Fuß hätte abfangen können.
»Man könnte abstürzen und sich das Genick brechen«, sagte sie.
»Die Gefahr bestand wohl.« Olle Granlund lachte. »Aber wenn aus Jungs Männer werden sollen …«
»Das klingt ja verrückt. Man kann doch Rekruten keiner Lebensgefahr aussetzen. Wenigstens nicht in der schwedischen Armee.«
»Wenn du wüsstest, was man den Küstenjägern alles befehlen konnte. Es gab weit schlimmere Aufgaben.«
Ein Schauer lief Nora über den Rücken.
»Zum Beispiel?«
Olle Granlund wandte den Kopf ab, als bereute er, überhaupt etwas gesagt zu haben. Ohne ein Wort ging er weiter.
Tagebucheintrag März 1977
Heute kamen einige Journalisten zu Besuch und wurden herumgeführt. Wir standen in der Gruppe zusammen, als sie vorbeigingen, und ich hörte, wie sie Fragen bezüglich der Ausbildung stellten.
Stimmte das Gerücht, dass es Offiziere mit sadistischen Neigungen gab?
»Es gibt eine Menge Gerede über die Ausbildung«, rief so ein Typ mit getönter Pilotenbrille und beigefarbenem Rollkragenpullover aus. Er wirkte aufgeregt, so als rechnete er mit einer Enthüllung.
Hauptmann Westerberg schüttelte den Kopf. Er war mindestens fünfzehn Zentimeter größer als der schmächtige Reporter. Westerberg beugte sich vor und erklärte, dass manche Vorgesetzte hin und wieder vielleicht »etwas zu ehrgeizig« seien, mehr nicht.
Dann lächelte er entwaffnend, als sei ihm die Vorstellung vollkommen fremd. Merkwürdigerweise gab der Reporter sich damit zufrieden, er ließ das Thema fallen, und der Tross marschierte weiter.
Die sollten mal unseren Uffz kennenlernen, dachte ich resigniert. Da würden sie auf ein richtiges Schwein treffen.
Neulich las ich in einer Boulevardzeitung etwas über seinen Vater. Der war in großer Admiralsuniform abgebildet, mit Achselschnüren und vollem Lametta, zusammen mit einigen anderen hohen Tieren. Offenbar war ein ausländischer Staatsgast mit seiner Flotte angereist, und er war zum anschließenden Festessen beim König geladen.
Ich fragte mich unwillkürlich, ob der Feldwebel den Artikel über seinen Vater ebenfalls gelesen hatte. Waren sie einander ähnlich, Vater und Sohn? Der Alte genauso ein Schwein wie der Junge?
Die anderen Offiziere können ab und zu auch gemein sein, aber keiner geht mit seinen Strafen so weit wie der Uffz. Manchmal habe ich mich gefragt, ob er noch ganz sauber tickt.
Aber alle lassen ihn gewähren, keiner greift ein.
Bestimmt ist sein Vater mit dem Kompaniechef befreundet. Die hohen Tiere kennen sich alle untereinander, die halten doch sowieso zusammen.
Kapitel 39
Margit nahm nach dem dritten Klingeln ab, als Thomas sie aus seinem Büro anrief.
»Der Rechtsmediziner aus Västerås hat sich gemeldet. Erneskog wurde ebenfalls umgebracht.«
»Erst Fredell und dann Erneskog.«
»Und eventuell Marcus Nielsen«, ergänzte Thomas.
»Ja, das müssen wir wohl in Betracht ziehen.«
Margit klang plötzlich müde, als wäre ihr die Bedeutung dessen, was sie gerade gesagt hatte, eben erst bewusst geworden.
»Sieht aus, als hätten wir es mit einem Serienmörder zu tun«, sagte Thomas.
»Ja. Fragt sich nicht nur, wer, sondern auch warum.«
Stille kehrte ein.
»Wir brauchen die Namen der anderen Männer«, sagte Thomas. »So schnell wie möglich.«
»Ich werde versuchen, Hauptmann Harning ein bisschen Dampf zu machen.«
»Tu das. Vielleicht gibt es noch mehr …«
Thomas brauchte den Satz nicht zu beenden. Margit verstand, was er meinte.
»Kaufman?«, sagte sie.
Thomas warf einen Blick zur Uhr. Er hatte Pernilla versprochen, bald nach Hause zu kommen, aber er hatte so ein ungutes Gefühl.
»Ich rufe ihn an. Falls er nicht abnimmt, fahre ich hin.«
»Allein?«
»Ich verspreche, vorsichtig zu sein.«
Olle Granlund führte Nora am Turm vorbei nach Osten. Der Kiefernwald hatte sich deutlich gelichtet, nur einzelne Büsche und dichtes Wacholdergestrüpp wuchsen noch
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