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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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in den Felsspalten. Hier und da versperrten große Geröllhaufen den Weg. Nora musste sich vorsehen, wenn sie über die scharfkantigen grauen Steinblöcke kletterte.
    Nach einer Weile kamen sie an einen Betonbunker mit flachem Dach, der in die Felswand hineingebaut war. Kleine quadratische Öffnungen zeigten zum Meer.
    »Das hier ist ein sogenannter Adlerhorst«, sagte Olle. »Unter den Öffnungen standen Holztische für Maschinengewehre und Munition.«
    Nora betrachtete die seltsame Formation, die aus dem Felsen ragte. Sie verschmolz mit der Umgebung, und doch wieder nicht; eine merkwürdige Mischung aus uraltem Granitgestein und modernem Baumaterial.
    »Wie viele Bunker gibt es auf der Insel?«
    »Eine ganze Menge, aber die meisten sind besser getarnt oder zerstört.« Olle zeigte. »Dort drüben war früher der Eingang zu einer Abschussrampe für Luftabwehrgeschütze.«
    Er wandte sich ab und spuckte seinen Snus ins Gestrüpp. Ein Schwarm winziger Mücken flog auf, als der Klecks das Blattwerk traf, wie eine feine Staubwolke, die sich unerwartet in alle Richtungen verflüchtigt.
    »Dahinten liegt der U-Bahnberg«, sagte Olle Granlund.
    »Lustiger Name. Warum heißt der so?«
    »Dort war der Gefechtsleitstand. Er wurde in den Achtzigerjahren gebaut, und der Eingang war eine Wellblechröhre, die an einen U-Bahn-Tunnel erinnerte.«
    Nora ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Es lag etwas Wehmütiges über diesem Ort, der nach so vielen Jahren seinem Schicksal überlassen worden war.
    »Es muss Unmengen gekostet haben, das alles zu bauen«, sagte sie. »Ich verstehe nicht ganz, warum es aufgegeben wurde.«
    »Überall im Berg sind Anlagen, Bereitschaftsräume, Verbindungsgänge, Maschinenräume und Munitionslager. Mit gasdichten Türen natürlich, für den Fall, dass der Feind Giftgas eingesetzt hätte.«
    Gas. Bei dem Wort spürte Nora ein Kribbeln im Körper.
    »Kann man hineingehen?«, fragte sie.
    Olle Granlund schüttelte den Kopf.
    »Alles, was noch da ist, wurde zugemauert.«
    Er trat ein paar Meter näher an die Felskante.
    »Aber dieser Bunker hier ist in gutem Zustand. Schau dir das an.«
    Nora ging zu ihm.
    Aus der Nähe wirkte der Beton stumpf, im Gegensatz zum rissigen Felsen, aus dessen Spalten wilde Kräuter wuchsen. Fast siebzig Jahre waren seit dem Bau des Bunkers vergangen, und der Zement begann zu verwittern.
    Sie stieg ein paar Treppenstufen hinab, bis sie auf Augenhöhe mit der Sichtluke war.
    In einer Ecke ragte etwas heraus, und Nora bückte sich. Eingeklemmt zwischen zwei Platten lag ein vergilbter alter Zettel. Die Schrift darauf war in unverkennbar altem Stil gedruckt, als wäre der Text vor sehr langer Zeit auf einer alten Schreibmaschine getippt worden.
    Nummernzettel, an der Ausrüstung von Verwundeten (Kranken, Getöteten) zu befestigen , stand da in verblichenen Buchstaben.
    Ein Leichenzettel.
    Es herrschte kaum Verkehr, auf der Straße waren nur wenige Autos unterwegs. Thomas fuhr auf der Autobahn und hielt sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung von neunzig Kilometern pro Stunde.
    Mit einer Hand am Steuer wählte er Bo Kaufmans Nummer. Auch diesmal nahm niemand ab, genau wie vorhin, als er es vom Büro aus versucht hatte.
    Es klingelte endlos, dann kam ein kurzes Abbruchzeichen und eine blecherne Stimme teilte mit, dass der Teilnehmer zur Zeit nicht erreichbar sei und man es später noch einmal versuchen solle.
    »Geh endlich ran, Mensch«, murmelte er.
    Mit jedem Versuch wuchs seine dumpfe Unruhe.
    Er wollte gerade die Wiederholungstaste drücken, als ein explosionsartiger Knall, fast wie ein Pistolenschuss, irgendwo vor ihm zu hören war. Das Geräusch kam so unerwartet, dass er reflexartig das Handy fallen ließ.
    Laut hupend kam ihm ein Truck in der Kurve entgegen. Er schleuderte hin und her und geriet auf Thomas’ Straßenseite. Der schwere Auflieger schlitterte unkontrolliert über die Fahrbahn, er neigte sich in bedenklichem Winkel und schien gefährlich nahe daran umzukippen.
    Thomas nahm ein weißes, entsetztes Gesicht in der Fahrerkabine hinterm Steuer wahr, während das wilde Hupen anhielt.
    Er stieg auf die Bremse und versuchte gleichzeitig, dem Auflieger auszuweichen.
    Weg, weg, er musste hier weg, das war alles, was jetzt zählte.
    Sein Volvo war verschwindend klein im Verhältnis zu dem riesigen Truck, der auf ihn zu rutschte. Wenn der umkippte, hatte er keine Chance.
    Mit aller Kraft trat er das Bremspedal durch und kurbelte am Lenkrad, so schnell er

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