Moerderische Sehnsucht
Notfall oder um ein wichtiges geschäftliches Anliegen handelt, werde ich ihn umgehend kontaktieren, damit er sich seinerseits mit Ihnen in Verbindung setzen kann. Allerdings wird er in den nächsten ein, zwei Tagen bereits zurückerwartet.«
Hinter dem würdevollen Majordomus dehnte sich eine große, ebenfalls ausnehmend würdevolle Eingangshalle aus. Die Umgebung deutete für Eve auf jede Menge unbewohnten Raum hin. » Sagen Sie Mr Klok, dass er sich nach seiner Rückkehr auf dem Hauptrevier der Polizei bei Lieutenant Eve Dallas melden soll.«
» Selbstverständlich.«
» Wie lange ist er schon unterwegs?«
» Mr Klok ist vor zwei Wochen abgereist.«
» Lebt Mr Klok allein?«
» Ja.«
» Leben während seiner Abwesenheit irgendwelche Gäste hier im Haus?«
» Es sind keine Gäste hier.«
» Okay.« Sie hätte es vorgezogen, das Gebäude zu betreten und sich dort ein bisschen umzusehen. Aber ohne Durchsuchungsbeschluss oder Gefahr im Verzug gab es keinen legalen Weg ins Haus.
Also fuhr sie von der Klok’schen Residenz weiter in einen belebten Teil von Little Italy.
Eins der Opfer hatte als Bedienung in einem Restaurant gearbeitet, dessen Betreiber ein gewisser Tomas Pella war. Pella hatte während der Innerstädtischen Revolten bei der Armee gedient und innerhalb von nur zwei Monaten einen Bruder, eine Schwester und die Braut verloren. Seine junge, totgeweihte Frau hatte als Sanitäterin gedient.
Er hatte nicht noch einmal geheiratet, sondern stattdessen mit großem Erfolg drei Restaurants eröffnet und geführt, bevor er vor acht Jahren verkauft hatte und in den Ruhestand gegangen war.
» Newkirks Notizen zufolge führt er ein zurückgezogenes Leben«, meinte Eve. » Außerdem hat er geschrieben, dass der Mann recht jähzornig und leicht zu reizen ist.«
Er lebte in einem gepflegten, weiß gekalkten Haus in der Nähe von Bäckereien, Supermärkten und Cafés.
Als sie zum dritten Mal von einem Droiden– jetzt wieder einem weiblichen, doch von der behaglichen, eher mütterlichen Art– in Empfang genommen wurde, kam Eve zu dem Ergebnis, dass es Männern dieses Alters offenkundig lieber war, von elektronischen Geräten statt von menschlichem Personal versorgt zu werden.
» Lieutenant Dallas, Detective Peabody. Wir würden gern mit Mr Tomas Pella sprechen.«
» Es tut mir leid, Mr Pella ist sehr krank.«
» Ach ja? Was hat er denn?«
» Ich fürchte, ich kann ohne Erlaubnis nicht mit Ihnen über seinen Gesundheitszustand sprechen. Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein?«
» Ist er bei Bewusstsein? Bei klarem Verstand? Kann er sprechen?«
» Ja, aber er braucht absolute Ruhe.«
Obwohl Droiden in gewisser Hinsicht zäher als die meisten Menschen waren, konnte man sie trotzdem einschüchtern. » Ich muss dringend mit ihm sprechen.« Eve tippte auf ihre Dienstmarke und blickte die Droidin reglos an. » Ich glaube, es würde seine Ruhe viel mehr stören, wenn ich mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss wiederkäme und einen Polizeiarzt mitbrächte, damit der beurteilt, ob Ihr Boss vernehmungsfähig ist. Ist ein Pfleger oder eine Pflegerin bei ihm?«
» Ja. Er wird rund um die Uhr betreut.«
» Dann informieren Sie den Pfleger oder die Pflegerin, dass wir mit Mr Pella sprechen müssen, falls er wach ist und sich unterhalten kann. Verstanden?«
» Ja, natürlich.« Die Droidin machte einen Schritt zurück und schlug die Haustür vor Eves Nase zu, bevor sie an eine Gegensprechanlage trat. » Hier sind zwei Polizistinnen, die darauf bestehen, mit Mr Pella zu sprechen, falls er dazu in der Lage ist. Ja, ich werde warten.«
Die Hausangestellte machte ihnen wieder auf und sah dabei so verschüchtert aus, wie es für eine Droidin möglich war.
Das Foyer war sparsam, aber elegant möbliert. Unter der hohen Decke hing ein dreiteiliger Kronleuchter aus mundgeblasenem, dünnem, blauem Glas, und entlang der linken Wand führte eine gerade, schlanke Treppe, auf deren blank polierten Stufen ein verblichener roter Läufer lag, in den oberen Stock hinauf.
Eve ging ein paar Schritte weiter und blickte nach rechts in einen förmlichen Salon. Auf dem cremeweißen Kaminsims waren alte Fotos aufgereiht, und die Kleider, die die Menschen darauf trugen, wiesen darauf hin, dass dies die Galerie von Pellas Toten war. Eltern, Bruder, Schwester und die hübsche, ewig junge Ehefrau.
Der dritte Mann auf ihrer Liste, dachte sie, lebte in einem regelrechten Totenhaus.
» Falls Sie mir bitte folgen
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