Mörderische Tage
Martha's Vineyard.«
»Und heute Nacht?«, fragte Sabine Kaufmann besorgt.
»Was soll heute Nacht sein? Ich werde noch ein Glas Wein trinken oder auch zwei, ich werde ein paar Runden schwimmen und vielleicht anfangen zu packen, ich werde aber ganz sicher nicht schlafen können.«
»Wir können Sie nicht alleine lassen«, sagte Doris Seidel.
»Ich möchte aber niemanden um mich haben. Bitte verstehen Sie das. Ich will zu meinen Eltern und nie wieder in dieses Haus zurückkehren, von mir aus soll es bis auf die Grundmauern niederbrennen.«
»Wir können die Verantwortung nicht übernehmen, Sie allein zu lassen.«
»Bitte, dann bleiben Sie eben hier, das Haus ist groß genug. Ich hoffe, Sie halten es hier drin aus.«
Seidel sah Kaufmann schulterzuckend an und meinte: »Ich bleibe hier, Frau Kaufmann …«
»Ich bleibe auch hier, Doris. Ich kann jetzt nicht alleine sein.«
»Sind Sie noch im Dienst?«
»Nein.«
»Gut, dann lassen Sie uns trinken und diesem erbärmlichen Leben für ein paar Stunden adieu sagen.«
Am Montagvormittag um acht wurden Seidel und Kaufmann von zwei Polizisten aus dem Main-Taunus-Kreis abgelöst. Um halb zwei kehrte Aleksandra aus Polen zurück und erfuhr, was geschehen war. Rahel Holzer bot ihr an, mit ihr in die USA zu kommen, denn sie vertraute ihr.
Montag, 11.30 Uhr
Bei der ersten ausführlichen Besprechung am späten Montagvormittag fragte Berger: »Wie sind Sie auf Holzer gekommen?«
»Ausschlussverfahren. Frau Kaufmann und ich haben uns gestern Nachmittag ins Büro zurückgezogen und eine Liste erstellt all derer, die bisher vernommen oder befragt worden waren und die zum engeren Kreis der potenziellen Täter gerechnet werden konnten. Darunter waren Schwarz, der Schriftsteller, Jung, Marketingchef bei Bruckheim, und Hüs-ken, der Pfarrer, der allerdings ganz schnell ad acta gelegt wurde. Jungs Ehe besteht nur auf dem Papier, das haben wir von seiner Tochter, er hat ständig wechselnde Liebschaften und ist mit seiner Frau nicht gemeinsam in Urlaub geflogen. Wo er sich aufhält, entzieht sich unserer Kenntnis, ist inzwischen auch unerheblich. Schwarz wäre in Frage gekommen, aber weder Jung noch Schwarz erschienen uns clever und gerissen genug, solche Taten zu begehen. Schließlich führten wir Punkte an, die uns zwangsläufig zu Holzer brachten. Was hat eigentlich seine erste Vernehmung ergeben?«
»Er hat noch keinen Ton von sich gegeben«, sagte Kullmer. »Aber die Cornelius und auch Julia haben vorhin gesagt, dass er sich ihnen gegenüber als Johann Jung ausgegeben hat. Unter diesem Namen war er sogar bei der Cornelius als Patient. Frage: Woher kennt er Jung?«
»Frag doch im Verlag nach, ob Holzer vielleicht mal dort war, um über ein Buchprojekt zu sprechen. Könnte doch sein, bei seiner Reputation. Dabei hat er Jung kennengelernt und seinen Namen übernommen. Sein Spiel war komplex. Ruf Hofstetter an.«
Kullmer griff zum Telefon, ließ Hofstetter aus einer Sitzung holen und fragte ihn, ob er Thomas Holzer kenne. Hofstetter erzählte, er habe mit ihm ein Sachbuch über Serienmörder geplant, das im kommenden Jahr erscheinen sollte.
»Ich hatte mal wieder recht«, sagte Hellmer, nachdem Kullmer aufgelegt hatte. »Inzwischen kann ich mich ganz gut in Holzers Hirn einklinken. Er hat verschiedene Kirchengemeinden besucht und dabei einige seiner Opfer ausgewählt, er konnte ungehindert im Archiv ein- und ausgehen, er konnte sich in alle Datenbanken der Polizei einloggen, er wusste somit auch von Julias Urlaub und, und, und … Ein Superhirn, aber nicht perfekt. Ach ja, da war noch jemand, der uns geholfen hat. Die Tochter vom echten Johann Jung. Sie ist ein Superhirn und hat uns den entscheidenden Tipp gegeben. Wenn wir in drei, vier Jahren mal einen wirklich guten Profiler brauchen, dann wenden wir uns an sie.«
»Was?«, fragte Berger.
»Erklär ich noch. Wie geht's Julia? Ich war bis um fünf bei ihr und hatte danach noch keine Gelegenheit, mich nach ihr zu erkundigen.«
»Den Umständen entsprechend gut. Ihr Vater und Frau Tomlin sind die ganze Zeit bei ihr oder in ihrer Nähe. Sie wird wieder auf die Beine kommen.«
»Ich werde gleich zu ihr fahren und auch Frau Cornelius einen Besuch abstatten. Da denkt man, eine Klassefrau wie sie hat Freunde ohne Ende, und dann stellt man fest, dass sie ganz alleine in dieser großen Stadt lebt. Das können meine Frau und ich nicht zulassen. Diese Stadt kann Menschen kaputt machen.«
»Das kann jede Stadt«, warf
Weitere Kostenlose Bücher