Mörderische Tage
Geschichte von Jacqueline Schweigert während der letzten sechs Monate ihres Lebens blieb im Dunkeln.
Ihre Eltern, die die ganze Zeit über an Jacquelines Bett ausgeharrt hatten, erlebten den Tod ihrer Tochter hautnah mit. Wie die Geräte, an die sie angeschlossen war, lautstark piepten, wie auf einmal die Nulllinie auf dem Monitor zu sehen war und alle Bemühungen der Arzte, sie ins Leben zurückzuholen, vergebens blieben.
Die Mutter erlitt einen Nervenzusammenbruch und musste medizinisch versorgt werden, während der Vater sich noch am selben Tag bis fast zur Bewusstlosigkeit betrank. Ihre Tochter war zurückgekehrt und doch wieder gegangen. Diesmal für immer. Und niemand vermochte zu sagen, warum Jacquelines Organe versagt hatten. Auf dem Totenschein stand lapidar: »Multiples Organversagen, Ursache unbekannt.«
Anlässlich der dramatischen Entwicklung im Fall Jacqueline Schweigert wurde vergleichbaren Fällen der letzten Monate noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Am achten Januar war die sechsunddreißigjährige Apothekerin Karin Slomka von einem Barbesuch nicht nach Hause gekommen. Sie stammte wie Jacqueline Schweigert aus Hattersheim bei Frankfurt, auch hier hatte es weder ein Erpresserschreiben noch eine Geldforderung gegeben. Karin Slomka galt weiterhin als vermisst.
Ende Oktober des vergangenen Herbstes waren der geschiedene Frührentner Detlef Weiß, Mitte November Corinna Peters, Ehefrau und Mutter von vier Kindern, vermisst gemeldet worden. Auch bei diesen Fällen hatte es kein Lebenszeichen und keine Lösegeldforderung gegeben, bis man am fünfzehnten Dezember in einem Gebüsch in der Nähe der Staustufe Griesheim die Leiche von Corinna Peters und am einundzwanzigsten Dezember den toten Detlef Weiß in einem vorwiegend von Joggern und Spaziergängern genutzten Bereich des Frankfurter Stadtwalds fand. Beide Male hatten Hunde die Witterung aufgenommen.
Detlef Weiß trug nur Boxershorts, Corinna Peters war bis auf einen BH nackt. Der Mann war durch mehrere Messerstiche getötet worden, zudem war ihm die Kehle durchtrennt und die Augen herausgeschnitten worden, zahlreiche Hämatome wiesen auf massive Gewalteinwirkung mit einem stumpfen Gegenstand hin. Die Frau war, wie es Dr. Andrea Sievers von der Gerichtsmedizin ausgedrückt hatte, im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode geprügelt worden, wobei ihr Todeskampf mehrere Tage gedauert haben musste und der Täter nicht nur stumpfe Gegenstände und Schneidwerkzeuge, sondern auch die Fäuste benutzt hatte. Dazu war sie auf unvorstellbar grausame Weise im Intimbereich verstümmelt worden, es gab jedoch keinerlei verwertbare Fremd-DNA, da er, sollte er sie vergewaltigt haben, vermutlich ein Kondom benutzt hatte. Seine Folterungen waren mit mehreren abgebrochenen Flaschenhälsen ausgeführt worden, was aus Glassplittern unterschiedlicher Herkunft hervorging, die man in mehreren Körperöffnungen fand. Auch ihr waren die Augen herausgeschnitten und die Kehle durchtrennt worden.
Vor dem Ablegen seiner Opfer hatte der Täter sie gewaschen und ihre Hände und Füße mit einem höchst ungewöhnlichen Knoten zusammengebunden. Weder Andrea Sievers noch Professor Bock, beide erfahrene Rechtsmediziner, hatten je zuvor eine im Genitalbereich derart übel zugerichtete Leiche wie die von Corinna Peters auf den Tisch bekommen.
Alle Fälle wiesen Parallelen auf. Die spärliche Bekleidung, das plötzliche Verschwinden und das phantomhafte Wiederauftauchen. Aber es gab auch gravierende Unterschiede zwischen den sadistisch ausgeführten Morden und den Fällen der zuletzt aufgefundenen Frauen. Nicht nur, dass die Morde in einem Abstand von wenigen Wochen verübt worden waren, den Leichen haftete auch kein besonderer Duft an, außer der nach allmählich verwesendem Fleisch. Insgesamt hatten sich die Leichen jedoch in einem relativ guten Zustand befunden, da es der Jahreszeit entsprechend kühl gewesen war.
Nach Aussage der Rechtsmediziner war Peters bei ihrem Auffinden etwa zwei und Weiß drei Tage tot gewesen.
Und so gab es widersprüchliche Theorien, die eine besagte, es handele sich um denselben Täter, die andere das Gegenteil. Julia Durant jedenfalls mochte nicht ausschließen, es mit ein und demselben Täter zu tun zu haben. Es wurde davon ausgegangen, dass die ersten Opfer ihrem Peiniger zufällig über den Weg gelaufen waren. Er hatte eine außergewöhnliche Brutalität an den Tag gelegt, das über ihn erstellte psychologische Profil wies ihn als Sadisten mit abnormer
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