Mörderische Tage
dortigen Personals erbrachte keine verwertbaren Erkenntnisse über Detlef Weiß, obwohl er unmittelbar vor seinem Verschwinden in besagtem Bordell gewesen war. Nach Verlassen des Hauses gegen drei Uhr in der Nacht verlor sich seine Spur.
Karin Slomka hatte bis zu ihrem Verschwinden mit ihrer Mutter und ihrem siebenjährigen Sohn in einem Bungalow in Hattersheim gelebt. Neben ihrer Arbeit in einer Apotheke in Flörsheim hatte sie sich der Kunst verschrieben, malte Aquarelle, spielte in einem Kammerorchester Geige und schrieb Kurzgeschichten, für die sich bisher noch kein Verleger gefunden hatte. Sie joggte mindestens dreimal in der Woche je anderthalb Stunden und besuchte regelmäßig ein Fitnessstudio nur für Frauen in Hofheim, wo sie als zurückhaltend und kontaktscheu galt. Sie kam, absolvierte ihre Übungen und fuhr wieder nach Hause. Ihre Chefin beschrieb Karin Slomka als freundlich und strebsam, über ihr Privatleben konnte sie nichts berichten. Montags ging sie regelmäßig nach der Probe mit zwei Bekannten aus dem Orchester in eine Bar im Frankfurter Westend, wo sie sich in der Regel bis gegen dreiundzwanzig Uhr aufhielt. Von hier kehrte sie eines Nachts nicht nach Hause zurück. Die beiden Frauen, die mit ihr in der Bar gewesen waren, waren ausgiebig befragt worden, doch keine konnte etwas über ihren Verbleib sagen. Ihre Mutter und auch die Freundinnen sagten jedoch übereinstimmend aus, dass sie den Tod ihres Mannes nie verwunden hatte, zwei Jahre lang hatte sie mit ansehen müssen, wie der Krebs seinen noch jungen Körper zerstörte, förmlich auffraß, bis er kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag starb. Das war kaum drei Jahre her.
Sie wurde zuletzt gesehen, als sie am achten Januar gegen 23.15 Uhr in ihren Audi TT einstieg. Der Wagen wurde zwei Tage nach ihrem Verschwinden nur wenige hundert Meter entfernt in einer Tiefgarage gefunden. Wie er dorthin gekommen war, blieb bis heute ein Rätsel.
Karin Slomka und Jacqueline Schweigert, zwei Frauen aus Hattersheim, wobei der Wohnort die einzige Gemeinsamkeit zu sein schien. Sie hatten sich nicht gekannt, so viel glaubte man zu wissen.
Vier unbescholtene Bürger, vier Vermisstenanzeigen, drei Tote. Und nicht der geringste Hinweis auf den oder die Täter. Und über allem die Besorgnis, er oder sie könnten wieder zuschlagen.
Der Sadist, wie er von den Beamten der Soko genannt wurde, hatte seit seinem letzten Mord im Herbst stillgehalten, es gab auch im restlichen Deutschland keine vergleichbaren Taten. Hatte er mit dem Morden aufgehört? Wie die hinzugezogenen Kriminalpsychologen erklärten, hielten sie dies für nahezu ausgeschlossen, da ein psychisch und emotional derart gestörter Täter nie zur Ruhe käme. Manche dieser Täter, so behaupteten sie, nähmen sich eine Auszeit, bevor sie wieder mit dem Morden begannen. Einer verglich es mit einem erdbebengefährdeten Gebiet, bei dem der Zeitpunkt des nächsten schweren Bebens nicht vorausberechnet werden könne, man könne nur sagen, dass es irgendwann zum großen Knall kommen würde.
»Er schlägt wieder zu, nur wann und wo, das kann keiner sagen«, bemerkte einer von ihnen, und Julia Durant wusste, dass er recht hatte. Wenn ein solcher Täter den unverwechselbaren Geruch von Blut und Tod einmal eingesogen habe, wolle er diesen Geruch immer und immer wieder in sich einsaugen, das hatte ihr vor Jahren ein von ihr festgenommener Mörder gestanden. Und sie wollten die Macht über ihre Opfer weiter auskosten, bis zu dem Moment, wo sie einen Fehler machten und der Polizei ins Netz gingen. Diese Täter hörten erst auf, wenn sie gefasst und für den Rest ihres Lebens weggesperrt waren.
Täter Nummer zwei (sofern es einen zweiten gab) war hingegen noch nicht einzuschätzen, dazu gab es viel zu viele offene Fragen. Karin Slomka und Jacqueline Schweigert waren einfach von der Bildfläche verschwunden, doch Jacqueline war wieder aufgetaucht und nur kurze Zeit später gestorben, woran, das wusste man nicht und würde es vielleicht auch nie herausfinden. Es gab nur einen einzigen kleinen Hinweis – der besondere Duft, den Jacqueline Schweigert verströmt hatte. Rosen. Vor ihrem Auftauchen auf der Autobahn schien sie mit einer intensiven Körperlotion eingerieben worden zu sein. Oder sie hatte es selbst gemacht, doch angesichts des völlig weggetretenen Zustands, in dem sie aufgefunden wurde, hielt man dies für unwahrscheinlich.
Die brutalen Morde wurden einem soziopathischen Triebtäter zugeschrieben,
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