Mörderische Vergangenheit (German Edition)
ganze Arbeit geleistet, dann war Lissy bloß ein paar Tage früher dahinter gekommen. Doch noch wehrte er sich gegen die Gewissheit, so gut er konnte.
„Ich glaube Ihnen kein Wort!“, zischte er.
Dr. Hong schleuderte kommentarlos einen vergilbten Unfallbericht vor Keppler auf den Boden. Der zog ihn zu sich heran, wie ein geschlagenes Tier, dem man Essen zugeworfen hatte. Mit zittrigen Fingern blätterte er die zehn Jahre alte Akte auf. Sie war am Unfallort gestorben und jeder Wiederbelebungsversuch der Notärzte vergeblich gewesen. Zeugen sagten aus, Lissy habe einen verwirrten Eindruck gemacht und war einfach auf die Straße gelaufen, ohne sich umzusehen. So als sei sie vor etwas Schrecklichem davongerannt.
„Sie muss uns beim Vögeln überras cht haben!“, verstand Keppler. Und er begann sich sogar daran zu erinnern, denn es war ja seine Vergangenheit, die allmählich in sein Gedächtnis geladen wurde. Er hatte sie schließlich erlebt, wenn auch im Zeitraffer. Beim letzten Mal war Lissy mit dem Auto gegen einen Brückenpfeiler gerast.
„Diesmal ist es viellei cht echt ein Unfall.“, dachte er. Doch die Schuld daran trug er noch immer. Er hatte sie nicht nur von sich weggestoßen, sondern gleich vor einen Linienbus.
„Weil ich ihre S chwester gefickt hab. Dabei mochte ich die nicht mal besonders. Ich dachte nur, dann haut Lissy endlich ab!“
Weil sie besser aufgehoben gewesen wäre ohne ein emotionales Wra ck, das fürchtete, jemand konnte entdecken, wie es unter dessen Oberfläche aussah. Doch war ihr Tod etwa weniger schlimm als das, was man dort finden würde? Er konnte es nicht genau sagen. Er wusste bloß, dass er seine Frauen eigentlich immer vertrieb und glaubte, es sei so das Beste. Für sie und für ihn. Keppler erbrach etwas Blut, aus Erschöpfung und aus Ekel vor sich selbst.
Was hatte er aus seiner zweiten Chan ce gemacht?
„Gar nichts!“, hauchte er. Nichts hatte er geändert mit seiner Aktion. Doktor Hong hielt ihm einen Lappen hin.
„Ich konnte mir denken, dass Sie es versuchen würden. Deshalb hätten Sie normalerweise niemals diesen Sprung gemacht! Aber unser Personal ist knapp!“
Keppler rollte si ch in der Ecke zusammen wie ein Fötus und starrte an die Wand. Er glaubte, das hier sei schon der absolute Tiefpunkt seines Lebens. Doch er irrte sich, wie schlimm es ihm auch vorkommen musste. Er war immer noch hier und Lissy immer noch tot. Er hatte sie gleich zweimal umgebracht.
„Aber Ihr Präsident lebt no ch!“, rief Doktor Hong ihm entgegen.
„Das tröstet mi ch wenig!“, gab Keppler zurück, „Mir wär´ lieber, sie würde leben und er wäre tot!“
„Mir au ch! Ich hätte wissen müssen, dass Sie versagen!“, sagte Hong enttäuscht.
„Wollen Sie ni cht diese Bombe in meinem Kopf abschalten?“, fragte Keppler aus seiner Ecke. Doktor Hong krallte sich an seinen Krücken fest.
„Wozu? Gibt es etwa einen vernünftigen Grund, Sie ni cht sterben zu lassen?“
Keppler musste in die Offensive gehen. Er wollte überleben, darin war er gut. Er sammelte seine letzte Willenskraft, um überzeugend zu klingen.
„Sogar zwei. Sie stützen sich darauf! Wollen Sie so in die Vergangenheit fliegen? Na hoffentlich gibt es keine Treppen, da wo Sie hinmüssen!“
„I ch habe schon Ersatz für Sie!“, sagte Dr. Hong kühl. Keppler rappelte sich auf, „Blödsinn! Dann wäre ich längst tot! Sie brauchen mich!“
Doktor Hong humpelte mit finsterem Blick ein Stü ck auf Keppler zu.
„Sind Sie bereit, endlich etwas für Andere zu tun?“, fragte er den Gefangenen.
„Das habe i ch doch versucht. Ich wollte sie retten!“
„Unsinn, nur si ch selbst! Niemanden sonst!“, warf ihm Hong vor.
Keppler wollte den Krüppel zusammens chlagen, dann bremste er sich jedoch. Wahrscheinlich hatte dieser gelbe Sadist sogar recht. Der nickte freundlich,
„Ihre Freundin ist gestorben, weil Sie so sind, wie Sie sind. Sie zerstören einfach alle, die Ihnen zu nahe kommen!“
„Das ist wohl mein einzigartiger Charakter. Das liegt in den Genen!“
„Nein, das ist Prägung! Sie sind genau das, was das Leben aus Ihnen gema cht hat. Ein verdammter Verlierer!“
„Aber i ch wollte es doch ändern. Bei Lissy!“
„Selbst wenn Sie Ihre Freundin gerettet hätten, wären Sie jetzt trotzdem hier!“
„Wieso das denn?“
„Sie hätten es dann bloß etwas später versaut!“, behauptete der Wissenschaftler, „Denn die Ursa che für Ihre Art liegt viel weiter in
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