Mörderische Vergangenheit (German Edition)
sein, als er Lissy getroffen hatte. Doch diesmal zitterte er, weil ihm klar war, was von dieser Begegnung abhing. Er wusste jetzt, was sie brauchte. Hoffnung, dass er sie irgendwann näher an sich herankommen lassen würde. Hoffnung, dass es eine Perspektive gab. Dass er sie nicht mit aller Gewalt von sich wegstoßen wollte, sondern sie zum Leben brauchte. Und er musste dafür nicht mal lügen. Damals hatte er es ihr nicht geben können, um sie nicht mit sich ins Unglück zu reißen. Doch jetzt verstand er, dass sie beide zusammen besser dran gewesen wären. Er musterte sich kurz im Spiegel eines Transporters, wollte sich die Haare stylen, doch er sah dank der Rasur durch die Chinesen ja aus wie eine sprechende Kokosnuss.
„Verdammt, die Frisur!“
Er ging zurück zu der Mülltonne, in der er seine Touristen-Verkleidung gelassen hatte, sah sich nach rechts und links um und wühlte dann angewidert darin. Bis er die Baseball-Mütze fand und sie aufsetzte, Lissy kannte ihn ja nur mit langen Haaren. Womöglich hatte sie ihn vor Kurzem noch mit dem pflegeaufwendigen Look gesehen, der viele Jahre sein Markenzeichen gewesen war. Und vielleicht würde sie ihn ein oder zwei Tage später genauso wieder treffen, früher hätte der junge Keppler bestimmt keine Zeit für sie. Er wartete an der Ecke und schaute immer wieder herüber zu dem Unterwäsche-Geschäft, das Lissy und ihrer Schwester gehörte und das Keppler immer ein wenig peinlich vorgekommen war, da es dort von rosa Spitze und Übergrößen wimmelte. Er traute sich noch nicht loszugehen und starrte sie aus sicherer Entfernung an. Immer wieder blieb sein Blick an ihrem welligen rotblonden Haar hängen und an den kleinen Grübchen, die sie bekam, wenn sie jemanden anlächelte. Sie sah noch genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Nur viel schöner. Und er viel älter. Er hoffte, sie würde die zehn Jahre in seinem Gesicht nicht bemerken. Doch so eine Mütze kaschierte ja nicht bloß die fehlenden Haare, sie machte einen überhaupt irgendwie jung. Zumindest schienen sich das viele Männer einzureden, die aus dem Kappen-Alter eigentlich längst heraus waren. Dann blieb er an einem Blumenladen stehen. Er wollte Lissy eine Rose mitbringen. Keine rote, man sollte es auch nicht übertreiben. Sonst würde es wirklich unglaubwürdig, obwohl er schon recht charmant sein konnte, wenn er etwas wollte. Hellrosa erschien ihm schon eher passend. Dann schielte er nochmals um die Ecke, atmete tief durch und ging schließlich los. Das Gefühl in seinem Magen war ähnlich wie das am Morgen kurz vor dem abgebrochenen Attentat. Bloß viel stärker. Lissy hatte er schließlich wirklich umgebracht, irgendwie. Und jetzt würde er die Sache bereinigen. Er betrat das Geschäft und setzte ein Lächeln auf. Doch nicht Lissy stürmte auf ihn zu, sondern eine dicke Angestellte.
„Kann i ch Ihnen helfen?“
Er deutete auf einen knapp geschnittenen Büstenhalter mit dazugehörigem Höschen,
„Das kann nur eine Frau, die da rein passt! Rufen Sie bitte Lissy!“
Die Verkäuferin walzte beleidigt na ch hinten. Keppler hörte ein paar zickige Wortfetzen, dann erschien Lissy im Verkaufsraum. Sie war verwirrt.
„Was ma chst du denn hier?“
„I ch wollte dich sehen! Mittagessen?“
„Dass du überhaupt weißt, wo i ch vor und nach dem Sex bin!“
Er gab ihr keine sarkastis che Antwort, sondern lächelte bloß schuldbewusst. Und freute sich darauf, ihre Haut zu berühren und an ihrem Haar zu riechen, so etwas hatte ihn früher nie interessiert. Er küsste sie und zog sie mit sich aus dem Geschäft.
„Ich ma che mal eben Pause!“, hauchte sie. Die dicke Kollegin nickte genervt. Die war jetzt allein in dem Wäscheladen, ohne jemanden zum Reden, Lissys Schwester hatte sich bereits morgens krankgemeldet und lag im Bett. Keppler hatte lange nachgedacht, was er sagen sollte. Da war keine Zeit mehr gewesen, den idealen Ort festzulegen. Es musste bloß einer sein, an dem er seinem jüngeren Ich nicht begegnen würde. Er hatte wirklich keine Ahnung, wo er an diesem Tag gewesen war.
„Aber bestimmt ni cht in dieser schäbigen Bude!“, soviel wusste er immerhin.
Bunte Glaslampen, braune Holzvertäfelungen und ausgedörrte Gäste mit gelben Fingern dominierten die Szenerie. Doch heute was ihm das egal.
„Hey, hier ist es doch gar nicht unterkühlt und durchgestylt. Warum willst du in so einen Laden?“, fragte Lissy.
„Wen interessiert das? Du bist hier!“
Lissy lächelte kurz
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