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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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denen, die aus Verzweiflung handeln?
    »Überlaßt das alles mir«, sagte Abt Radulfus. »Ich will mit Vater Ailnoth sprechen.«
     
    In dem hübschen, langen und strengen Gesicht, dem Abt Radulfus sich nach der Messe in seinem Sprechzimmer gegenübersah, war keine Spur von Schuld, Ängstlichkeit oder Mangel an Selbstsicherheit zu entdecken. Der Mann stand aufrecht und ruhig vor dem Schreibtisch, die Hände bequem gefaltet und das Gesicht unerschütterlich ruhig.
    »Vater Abt, wenn ich frei sprechen darf, so will ich folgendes sagen. Die Seelen in meiner Gemeinde wurden zu ihrem eigenen Schaden lange vernachlässigt. Der Garten ist voller Unkraut, das die guten Früchte würgt und aushungert. Ich bin verpflichtet, alles Nötige zu tun, damit es eine saubere Ernte gibt, und dazu bin ich fest entschlossen. Ich kann nicht anders.
    Aus einem verzogenen Kind wird ein verdorbener Mann. Und was Eadwins Stück Land angeht, so wurde mir erklärt, daß ich seinen Grenzstein verrückt hatte. Das war ein Fehler, und der Fehler wurde berichtigt. Ich habe den Stein zurückgesetzt und meine eigene Grenze kurz davor gezogen. Ich will mir keine Handbreit Land aneignen, die einem anderen Mann gehört.«
    Das war gewiß die Wahrheit. Keine Handbreit Land und keinen Pfennig Geld. Aber genausowenig ließ er los, was ihm gehörte. Die scharfe Klinge des Rechtes war sein Maß.
    »Nun, eine Elle Land bekümmert mich weniger«, erklärte der Abt trocken, »als die Angelegenheiten, die einen Mann noch viel empfindlicher berühren. Euer Gehilfe Aelgar wurde als freier Mann geboren. Er ist auch heute noch ein freier Mann, genau wie sein Onkel und sein Vetter, und wenn sie Schritte unternehmen, um es hier zu bestätigen, wird ihnen kein anderer widersprechen können. Sie haben ihre Lehnspflichten übernommen, um für ein Stück Land zu bezahlen. Damit gibt ein Mann ebensowenig seine Freiheit auf, wie wenn er mit Geld bezahlt.«
    »Das habe ich durch Nachforschungen ebenfalls
    herausgefunden«, erwiderte Ailnoth ungerührt, »und ich habe es ihm auch gesagt.«
    »Dann ist diese Angelegenheit erledigt. Aber es wäre besser gewesen, erst zu forschen und dann anzuklagen.«
    »Herr, kein Mann sollte sich dem Ruf nach Gerechtigkeit entziehen. Ich bin neu unter diesen Menschen. Ich hörte vom Land der Verwandten, das sie wie Leibeigene bestellten. Es war meine Pflicht, die Wahrheit herauszufinden, und es war nur recht, zuerst mit dem Mann selbst zu reden.«
    Die Wahrheit war es, aber nicht sehr freundlich; allerdings hatte er die Wahrheit, als sie erst feststand, mit derselben unerschütterlichen Integrität angenommen. Doch was sollte man mit einem solchen Mann tun, der sich unter den fehlbaren gewöhnlichen Menschen bewegte? Radulfus kam auf ernstere Dinge zu sprechen.
    »Das Kind, das Centwin und seiner Frau geboren wurde und kaum die erste Stunde überlebte… der Mann kam zu Euch und drängte Euch zur Eile, weil das Kind schwach war und schon im Sterben lag. Ihr seid nicht mitgegangen, um das Kind als Christen zu taufen, und da Euer Sakrament zu spät kam, wie ich hörte, habt Ihr dem Kind das Begräbnis auf dem geweihten Grund verweigert. Warum seid Ihr nicht in aller Eile mitgegangen, als Ihr gerufen wurdet?«
    »Weil ich gerade mit dem Gottesdienst begonnen hatte. Herr, ich habe, wie es mein Gelübde vorschreibt, noch nie die Andacht unterbrochen, und ich werde es nie tun, aus welchem Grund auch immer, und sollte mir der Tod drohen. Ich konnte nicht gehen, bevor der Gottesdienst beendet war. Ich ging, sobald er beendet war. Ich konnte nicht wissen, daß das Kind so bald schon sterben würde. Aber selbst wenn ich es gewußt hätte, ich hätte nicht die Andacht, die ich halten mußte, unterbrechen können.«
    »Ihr habt noch andere Verpflichtungen, die nicht weniger schwer wiegen«, erwiderte Radulfus mit einiger Strenge. »Es gibt Augenblicke, da man zwischen verschiedenen Pflichten wählen muß, und Eure Pflicht gilt, so glaube ich, zuallererst den Seelen, die Euch anvertraut sind. Doch Ihr habt Euch für die Vollkommenheit Eurer eigenen Andacht entschieden und das Kind in ein Grab außerhalb der Gemeinde geschickt. War das eine gute Tat?«
    »Herr«, sagte Ailnoth unerschütterlich, während in seinen Augen die Selbstgerechtigkeit hell glühte, »meiner Ansicht nach war es recht. Ich weiche nicht um Haaresbreite von meinen Pflichten ab, soweit es meinen Gottesdienst betrifft. Davor müssen sich alle anderen und meine eigene Seele

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