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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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beugen.«
    »Auch die Seele eines äußerst unschuldigen Geschöpfes, das gerade erst das Licht der Welt erblickt hat, eines äußerst unschuldigen und schutzlosen Geschöpfes?«
    »Herr, Ihr wißt, daß die Buchstaben des göttlichen Gesetzes nicht zulassen, ungetaufte Geschöpfe in geweihtem Grund zu beerdigen. Ich hielt mich an die Regeln, die mich binden. Ich konnte nicht anders handeln. Gott wird wissen, wo Centwins Kind zu finden ist, wenn Er seine Gnade auch auf das Kind erstrecken will, ob in heiligem Boden oder draußen im Land.«
    Eine gnadenlose, gute Antwort. Der Abt dachte nach und musterte das versteinerte, selbstsichere Gesicht.
    »Ich will Euch zugestehen, daß die Buchstaben der Regel großes Gewicht haben, doch ihr Geist zählt mehr. Und Ihr hättet sicher Eurer Seele etwas zumuten können, um die Seele eines Neugeborenen zu retten. Einen unterbrochenen Gottesdienst fortzusetzen ist keine Sünde, wenn der Fall dringend genug ist. Außerdem ist da noch das Mädchen Eluned, das in den Tod ging, nachdem - und beachtet meine Worte, ich sage nachdem und nicht weil - Ihr sie aus der Kirche gewiesen habt. Auch dem größten Sünder dürfen Beichte und Buße nicht verweigert werden.«
    »Vater Abt«, sagte Ailnoth in einer Spur Leidenschaftlichkeit, doch immer noch unerschütterlich in seiner Selbstgerechtigkeit,
    »wo keine Reue ist, kann es auch keine Buße und keine Absolution geben. Die Frau hatte immer wieder gebeichtet und Besserung gelobt und nie ihr Wort gehalten. Ich hörte von anderen, in welchem Ruf sie steht. Bei ihr war keine Besserung möglich. Ich konnte ihr nicht guten Gewissens die Beichte abnehmen, denn ich konnte sie nicht beim Wort nehmen. Wenn in der Reue keine Wahrheit liegt, dann nützt auch die Beichte nichts, und sie freizusprechen, wäre eine Todsünde gewesen.
    Eine unverbesserliche Hure war sie! Ich mache mir keine Vorwürfe, ob sie nun starb oder nicht. Ich würde wieder tun, was ich tat. Ich darf die Pflichten, die mich binden, nicht verraten.«
    »Ihr müßt Euch für zwei Tode verantworten«, sagte Radulfus feierlich, »falls Gott die Angelegenheit anders sieht als Ihr. Ich bitte Euch zu bedenken, Vater Ailnoth, daß Ihr berufen seid, nicht die Rechtschaffenen um Euch zu sammeln, sondern gerade die reuigen Sünder, die Schwachen, die Fehlbaren, jene, die in Furcht und Unwissenheit kommen und nicht den Vorteil Eures Wissens genießen. Mäßigt Eure Forderungen an ihre Fähigkeiten und seid weniger streng mit denen, die nicht so vollkommen sind wie Ihr.« Er hielt inne, denn die Bemerkung war ironisch gemeint und sollte stechen, doch das stolze, undurchdringliche Gesicht nahm die Lobpreisung ungerührt auf.
    »Und haltet Euch zurück, ehe Ihr Hand an die Kinder legt«, fuhr er fort, »es sei denn, sie vergehen sich in böser Absicht. Wir alle sind fehlbar, selbst Ihr.«
    »Ich versuche zu tun, was recht ist«, sagte Ailnoth. »Das habe ich immer getan, und das will ich immer tun.« Und er ging mit den gleichen, selbstsicheren Schritten, mit denen er gekommen war, energisch und fest, die Säume seines Gewandes im Wind seiner Schritte wallend wie Flügel.
     
    »Ein enthaltsamer, unerschütterlich aufrechter, unbeugsam ehrbarer Mann von grimmiger Strenge«, sagte Radulfus, als er später unter vier Augen mit Prior Robert beriet. »Ein Mann mit allen Tugenden, abgesehen von Demut und menschlicher Milde. So einen habe ich der Vorstadt gegeben, Robert. Was sollen wir nun mit ihm tun?«
     
    Die Dame Diota Hammet kam am zweiundzwanzigsten Dezember mit einem bedeckten Korb zum Torhaus und fragte bescheiden nach ihrem Neffen Benet, dem sie zu Weihnachten einen Kuchen und ein paar Honigplätzchen bringen wollte. Der Pförtner, der sie als Haushälterin des Priesters erkannte, wies sie zum Garten, wo Benet die zottigen Auswüchse der Buchsbaumhecke zurückschnitt.
    Als er die Stimmen hörte, steckte Cadfael den Kopf aus seiner Hütte und wollte, nachdem er die mütterliche Frau erkannt hatte, schon in den Schatten zu seinem Mörser zurückkehren, als er in der Begrüßung einen eigenartigen Unterton bemerkte. Eine selbstverständliche Zuneigung, leicht und unaufdringlich geschenkt, war zwischen Tante und Neffe ganz natürlich, aber was er sah, konnte kaum als verwandtschaftliche Liebe durchgehen, denn im Gebaren der Frau zu ihrem Verwandten lag eine zärtliche und fast unterwürfige Ausstrahlung, während der Junge sie mit unerwarteter, kindlicher Freude umarmte. Nun, er war als junger

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