Mörderische Weihnacht
gesetzt. Er eilte zum großen Hof zurück und weiter zum Kreuzgang, wo er, von draußen unbemerkt, einigermaßen besorgt darauf lauerte, daß sich eine Invasionstruppe dem Torhaus näherte.
Sie ließen sich länger Zeit, als er erwartet hatte, und dafür war er dankbar. Außerdem fiel jetzt ein feiner leichter Schnee, der die Fußabdrücke auf dem überfrorenen Bach rasch verdecken würde, und der abends aufkommende Wind würde sogar die Spuren im Garten verwischen. Bis zu diesem Augenblick hatte er noch keine Zeit gehabt, das Gehörte zu überdenken. Ninian hatte sich also an Ralph Giffard gewendet, der ihn aber abgewiesen hatte, um sich durch eine positive Antwort nicht selbst in Gefahr zu bringen. Aber das Mädchen, geboren in einer anderen Familie, die der Seite der Kaiserin nicht weniger ergeben war, hatte die Herausforderung angenommen und zu ihrem eigenen Anliegen gemacht. Und nun, erschreckt durch die öffentliche Proklamation der Suche nach dem feindlichen Spion, hatte Giffard es für das Beste gehalten, seine Position zu sichern, indem er Hugh Beringar die ganze Geschichte berichtete. Der für diese Aufmerksamkeit gar nicht dankbar war, sondern gezwungenermaßen handelte, um wenigstens den Anschein von Eifer zu erwecken.
All dies ließ einen seltsamen Punkt ungeklärt: Wohin war Ralph Giffard am Weihnachtsabend so zielstrebig und eilig gegangen? Er hatte die Brücke zur Vorstadt beinahe ebenso ungestüm überquert, wie Vater Ailnoth etwa eine Stunde später in die entgegengesetzte Richtung gehastet war. Die beiden zielstrebigen Gestalten schienen ihm wie Spiegelbilder ein und desselben Mannes. Giffard war vielleicht der ängstlichere, Ailnoth der grimmigere. Dort gab es irgendwo eine Verbindung, auch wenn das Bindeglied noch fehlte.
Und da kamen sie auch schon durch den Torbogen herein, und alle zu Fuß: Hugh und Ralph Giffard, hart und aufrecht an seiner Seite, Will Warden und ein paar junge Bewaffnete im Gefolge. Pferde waren nicht nötig, denn sie suchten nach einem unberittenen, mittellosen jungen Mann, der in den Abteigärten arbeitete, und das Gefängnis, das ihn erwartete, war auch zu Fuß schnell zu erreichen.
Cadfael ließ sich Zeit, ehe er auftauchte. Es war viel besser, wenn andere die Ankömmlinge begrüßten. Bruder Jerome liebte die Kälte nicht, aber er hielt die Außenwelt wachsam im Auge, wann immer er an solchen Frosttagen in den Wärmeraum floh, und war bereit, pflichtbewußt und ergeben jederzeit wieder aufzutauchen. Außerdem wußte er stets, wo Prior Robert zu erreichen war, falls man ihn brauchte. Als Cadfael unschuldig aus dem Kreuzgang schlenderte, waren beide schon da und standen vor den Besuchern aus der Welt.
Einige andere Brüder hatten die Versammlung bemerkt und waren, ihre kalten Hände und Füße vergessend, aus rein menschlicher Neugierde stehengeblieben.
»Der junge Benet?« sagte Prior Robert erstaunt und entsetzt, als Cadfael sich näherte. »Vater Ailnoths Bursche? Der Vater selbst bat uns, dem jungen Mann eine Arbeit zu geben. Wie absurd! Der Junge ist kaum mehr als ein Einfaltspinsel, ein Bursche vom Lande! Ich habe oft mit ihm gesprochen, ich weiß, wie unschuldig er ist. Mein Herr Sheriff, ich fürchte, dieser Herr hier läßt Euch Eure Zeit auf einen Irrtum verschwenden. Es kann nicht wahr sein.«
»Vater Prior, mit Eurer Erlaubnis«, schaltete Ralph Giffard sich energisch ein, »es ist nur zu wahr, der Bursche ist nicht, was er scheint. Ich habe von diesem vermeintlichen Einfaltspinsel eine sauber geschriebene Nachricht erhalten, versiegelt mit dem Siegel des Verräters und Gesetzlosen FitzAlan, einem Mann der Kaiserin, der jetzt in Frankreich ist.
Man bat mich in FitzAlans Namen um Hilfe - eine Bitte, die ich natürlich unbeantwortet ließ. Ich habe das Blatt behalten, der Herr Sheriff hat es gesehen. Er sei, erklärte er, mit dem neuen Priester gekommen, und er brauche Hilfe, Informationen und ein Pferd und beanspruchte mich, um zu bekommen, was er wollte. Er bat mich, ihn am Weihnachtsabend eine Stunde vor Mitternacht an der Mühle zu treffen, wenn alle braven Leute sich auf den Kirchgang vorbereiteten. Ich ging nicht hin, denn ich wollte mir keinen solchen Verrat gegen unseren Herrn, den König, zuschulden kommen lassen. Aber ich habe dem Sheriff den Beweis übergeben, und es besteht kein Zweifel. Euer Arbeiter Benet ist FitzAlans Mittelsmann Ninian Bachiler, und er hat mit eigener Hand die Nachricht unterzeichnet.«
»Ich fürchte, es ist die
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