Mörderische Weihnacht
gibt, viele andere, die ebenso gute Gründe hatten wie Ninian, sogar noch bessere, Ailnoth den Tod zu wünschen?«
»Ich vergesse es nicht. Viel zuviele andere«, stimmte Hugh wehmütig zu. »Und alles, was Ihr mir über den Jungen berichtet habt - nicht, daß ich so dumm bin zu glauben, Ihr hättet mir alles berichtet, was Ihr wißt - , deutet darauf hin, daß er einer ist, der sehr wohl zu seiner Verteidigung kühn und offen zuschlagen kann, aber niemals von hinten. Und doch kann er es im Handgemenge getan haben. Wer weiß, in extremen Situationen könnte es jeder von uns tun. Wie ich von dem Priester hörte, schlug er stets mit aller Kraft zu und mit jeder Waffe, die ihm in die Hände fiel. Das Verschwinden des Jungen läßt uns an das Schlimmste denken.«
»Er hatte gute Gründe zu verschwinden«, widersprach Cadfael, »falls er erfuhr, daß Giffard zur Burg unterwegs war, um ihn zu verraten. Ihr hättet ihn einsperren müssen, ob er nun am Tod des Priesters die Schuld trug oder nicht. Eure Hände sind gebunden. Deshalb ist er weggelaufen.«
»Falls ihn jemand warnte«, pflichtete Hugh mit einem verschlagenen Lächeln zu. »Ihr zum Beispiel?«
»Nein, nicht ich«, erwiderte Cadfael tugendhaft. »Ich wußte nichts von Giffards Absicht, sonst hätte ich dem Jungen gegenüber sicher eine Bemerkung gemacht. Aber nein, nicht ich. Ich weiß, daß Benet - wir müssen ihn wohl Ninian nennen! -
kurz vor Mitternacht am Weihnachtsabend in der Kirche war.
Wenn er überhaupt zur Mühle ging, dann ging er viel zu früh und kehrte viel zu früh zurück.«
»Das habt Ihr mir bereits erzählt, und ich glaube Euch. Aber nach Eurern eigenen Bericht ging auch Ailnoth früh zum Treffpunkt; vielleicht, um sich zu verbergen und um Bachiler zu überraschen. Sie hatten Zeit, aufeinanderzutreffen und sich zu schlagen.«
»Der Junge zeigte keine Spuren von Erregung oder Kampf, als er in der Kirche war. Etwas aufgeregt war er vielleicht, aber eher angenehm aufgeregt, würde ich sagen. Was habt Ihr in dieser Sache aus den Gemeindemitgliedern herausbekommen?
Es gibt einige, die einen berechtigten Groll gegen Ailnoth hegten. Was haben sie zu ihrer Verteidigung zu sagen?«
»Im allgemeinen, wie zu erwarten, so wenig wie möglich.
Einer oder zwei machen kein Geheimnis aus ihrer Freude, daß der Mann tot ist. Eadwin, dessen Grenzstein er versetzte, hat nicht vergessen und nicht vergeben, auch wenn der Stein zurückgesetzt wurde. Seine Frau und seine Kinder schwören, daß er den ganzen Abend nicht das Haus verließ, und das war nicht anders zu erwarten. Jordan Achard, der Bäcker, ist ein Mann, der im Zorn durchaus töten könnte. Er wurde wirklich verletzt. Sein Brot ist sein ganzer Stolz, und die Beschuldigung wurde nie wiedergutgemacht. Das muß ihn weit mehr gekränkt haben, als wenn der Priester ihn einen unverbesserlichen Lüstling geschimpft hätte, denn das wäre zumindest wahr gewesen. Manch einer glaubt, er sei der Vater des Kindes jenes armen Mädchens gewesen, das sich ertränkte, aber nach allem, was ich hörte, kommt die Hälfte aller Männer in der Gemeinde in Frage, denn sie konnte ja einfach nicht Nein sagen. Unser Jordan behauptet, er sei den ganzen Weihnachtsabend daheim und nüchtern gewesen, was seine Frau bestätigt, aber sie ist ein armes, unterdrücktes Geschöpf, das sich nicht gegen ihn stellen würde. Wie man hört, schläft er kaum eine Nacht in seinem eigenen Bett, und nach den schrägen Blicken und den ängstlichen Antworten seiner Frau kann er die Nacht auch anderswo verbracht haben. Aber das werden wir nie aus ihr herausbekommen. Sie hat Angst vor ihm und ist ihm zugleich treu ergeben.«
»Das gilt vielleicht nicht für alle seine Frauen«, erwiderte Cadfael, »aber ich kann mir Jordan kaum als gewalttätigen Menschen vorstellen.«
»Vielleicht nicht. Aber ich kann mir Vater Ailnoth als gewalttätigen Mann vorstellen, sei es körperlich oder geistig.
Und bedenkt nur, Cadfael, wie er sich aufgeführt haben mag, wenn er eines seiner Schäfchen erwischte, das ins falsche Bett schlich. Wenn nicht gewalttätig, dann ist Jordan auf jeden Fall ein großer und starker Mann und keineswegs geneigt, einen Angriff demütig hinzunehmen. Er könnte gut den Kampf beenden, den ein anderer Mann begann, ohne es direkt beabsichtigt zu haben. Aber Jordan ist nur einer unter vielen und nicht der wahrscheinlichste.«
»Eure Männer waren gründlich«, sagte Cadfael seufzend.
»Das waren sie. Alan war mit Feuereifer
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