Mörderische Weihnacht
Wahrheit«, sagte Hugh knapp. »Wir können später noch Fragen stellen, doch nun muß ich Euch um Erlaubnis bitten, diesen Benet suchen zu dürfen, denn er muß für sich selbst sprechen. Ich will die Brüder nicht stören, ich erbitte nur den Zugang zum Garten.«
Genau zu dem Zeitpunkt schlenderte Cadfael aus dem Kreuzgang und bewegte sich völlig sicher über die vereisten Pflastersteine, da seine Füße immer noch mit Wolle umwickelt waren. Er kam mit gespitzten Ohren und unschuldiger Miene heraus. Es schneite noch leicht, und die Flocken froren sofort auf dem Boden fest.
»Benet?« fragte Cadfael scheinheilig. »Ihr sucht meinen Gehilfen? Ich ließ ihn vor einer Viertelstunde in meiner Hütte zurück. Was wollt Ihr von ihm?« Er ging, ganz Staunen und Verwunderung, mit ihnen in den Garten und öffnete ihnen die Tür seiner Hütte. Sie sahen die leise glühende Kohlenpfanne, daneben den Topf mit Kräuteröl auf der Steinplatte, die duftende Leere. Sie durchsuchten den ganzen Garten und die Felder bis zum Bach hinunter, wo der hilfreiche Schnee die Fußabdrücke schon verdeckt hatte. Cadfael tat so erstaunt wie alle anderen. Und wenn Hugh es vermied, ihn schräg anzusehen, dann bedeutete dies nicht etwa, daß er nicht jede Facette dieser vergeblichen Suche durchschaut hätte. Vielmehr wußte er Bescheid und zweifelte ebensowenig wie der Hüter des Geheimnisses. Cadfael hatte gewöhnlich gute Gründe, wenn er nur scheinbar hilfreich war. Außerdem mußte man sich noch um andere Dinge kümmern, ehe man die Suche fortsetzte.
»Ihr sagtet mir«, wandte Hugh sich an Giffard, »daß Ihr die Bitte um Hilfe einen Tag vor dem Weihnachtsabend erhalten habt. Euch sei für kurz vor Mitternacht ein Treffen an der Mühle vorgeschlagen worden. Warum habt Ihr nicht sofort meinem Vertreter Bescheid gegeben? Wir hätten viel früher etwas unternehmen können. Inzwischen hat er offenbar Wind von der Suche bekommen und ist geflohen.«
Wenn Giffard sich ob dieser Pflichtvergessenheit unwohl fühlte, dann gab er es nicht zu erkennen. Er sah Hugh voll und fest in die Augen. »Weil er nur Euer Vertreter war, mein Herr.
Wärt Ihr hier gewesen… Ihr habt das Amt direkt nach der Belagerung von Shrewsbury übernommen, und Ihr wißt, wie es uns, die der Kaiserin die Treue geschworen hatten, damals erging. Ihr wißt von meinem Verlust. Seitdem habe ich mich dem König Stephen unterworfen und ihm unerschütterlich die Treue gehalten. Aber ein junger Mann wie Herbard, der hier neu ist und sich seinen Ruf und seinen Status erst erwerben muß - und der nichts über die Vergangenheit und meinen Verlust weiß… ich hatte Angst, nach wie vor als Anhänger der Kaiserin betrachtet zu werden, selbst wenn ich aufrichtig alles erzählte, was ich wußte. Und erinnert Euch doch, wir hatten da noch nichts darüber gehört, daß dieser Bachiler im Süden gesucht wurde. Der Name bedeutete mir nichts. Ich hielt den Jungen für unbedeutend, und ich erachtete es für sinnlos, mich für eine sowieso verlorene Sache einzusetzen. So hielt ich mich trotz FitzAlans Siegel zurück. Es gibt mehrere Ritter, die in seinem Namen das Siegel führen. Seid gerecht mit mir - sobald die Proklamation ausgegeben war und ich verstand, was da im Gange war, kam ich zu Euch und berichtete Euch die Wahrheit.«
»Das habt Ihr getan«, erwiderte Hugh, »und ich verstehe Eure Zweifel. Allerdings ist es nicht meine Aufgabe, einen Mann für etwas zu belangen, das vergessen und vergeben ist.«
»Aber jetzt, Herr…« Giffard hatte noch mehr zu sagen und schien durch seine eigene Beredsamkeit und Hughs schweigende Billigung ermutigt, denn sein Eifer flammte hoffnungsvoll auf. »Nun steckt aber mehr dahinter, als Ihr oder ich vermuten konnten. Denn ich habe Euch noch nicht alles erzählt, da ich kaum Zeit hatte, alles zu bedenken. Der junge Mann kam unter dem Schutz von Vater Ailnoth, nachdem er den Priester arglistig glauben gemacht hatte, er sei nur ein harmloser Junge, der Arbeit suchte, und er sei ein Verwandter der Frau, die den Haushalt des Priesters erledigte. Und wurde nicht Vater Ailnoth, der ihn in aller Unschuld herbrachte, ermordet und wartet nun auf sein Begräbnis? Wer kommt eher für die Schuld an diesem Mord in Frage als der Mann, der die Güte des Priesters arglistig ausnutzte und ihn zu einem unwissenden Komplizen seines Verrats machte?«
Er wußte ganz genau, was für einen Blitz er da in den Kreis der Zuhörer schleuderte, denn er war sogar ein oder zwei
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