Mörderische Weihnacht
Frau Hammet gar nicht Eure Tante ist?«
»Nein«, erwiderte Ninian langsam, während er Cadfael aufrichtig und ernst in die Augen blickte. »Wollt Ihr ihre Rolle dabei verstehen? Sie stand in den Diensten meiner Mutter, bevor sie den Burschen des Bischofs heiratete. Sie war meine Amme. Als ich auf der Flucht war und Hilfe brauchte, wandte ich mich an sie. Das war unüberlegt, und ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen, aber glaubt mir, was immer sie tat, geschah aus Zuneigung zu mir, und was ich tue, hat mit ihr nichts zu tun. Sie beschaffte mir die Kleider, die ich jetzt trage - ich hatte meine draußen im Wald zerfetzt und in Flüssen durchnäßt, aber sie verrieten immer noch, wer ich war. Sie bat von sich aus um Erlaubnis, mich als Neffen hierher mitzunehmen, als Vater Ailnoth ernannt wurde. Um mich vor den Jägern in Sicherheit zu bringen, erbat und bekam sie seine Erlaubnis, bevor ich eingreifen konnte, und dann konnte ich nicht mehr Nein sagen. Aber es war ein Segen für mich, das muß ich zugeben.«
»In welcher Absicht seid Ihr aus der Normandie herübergekommen?« fragte Cadfael.
»Nun, um Verbindung mit den Freunden der Kaiserin aufzunehmen, die sich im Süden und Osten vielleicht bedeckt hielten, wo die Kaiserin am wenigsten geliebt wird, und um sie zu drängen, sich zu erheben, sobald FitzAlan den Augenblick gekommen sieht, wieder überzusetzen. Damals standen ihre Chancen noch ganz gut. Aber als sich das Blatt gewendet hatte
- Gott weiß, wer von denen es war, mit denen wir gesprochen hatten - , bekam jemand Angst und brachte sich in Sicherheit, indem er uns verriet. Wißt Ihr, daß wir zwei waren?«
»Ich weiß es«, erklärte Cadfael. »Ich kannte den zweiten sogar. Er gehörte zu FitzAlans Gefolge hier in Shrewsbury, bevor die Stadt an den König fiel. Er hat sich in einem Hafen im Osten wohlbehalten eingeschifft, wie ich hörte. Ihr habt weniger Glück gehabt.«
»Dann konnte Torold fliehen? Oh, das ist eine gute Nachricht!« rief Ninian. Er wurde vor Freude rot. »Wir haben uns getrennt, als sie uns in der Nähe von Bury in die Enge trieben. Ich hatte solche Angst um ihn! Oh, wenn er sicher daheim ist…« Er unterbrach sich und zuckte zusammen, als er an sein Heim in der Normandie dachte. »Ich komme schon zurecht! Selbst wenn ich im Gefängnis des Königs ende - aber das werde ich nicht! Für einen zu kämpfen, das ist nicht so schwer wie um zwei Menschen Angst zu haben. Und Torold ist ein verheirateter Mann!«
»Er soll zu seiner Frau zurückgekehrt sein. Aber was habt Ihr nun vor?« fragte Cadfael verwundert. »Die Sache, derentwegen Ihr gekommen seid, ist offenbar verloren. Was nun?«
»Nun«, sagte der Junge mit pathetischem Ernst, »will ich über die Grenze nach Wales und nach Süden gehen, um mich bei Gloucester der Armee der Kaiserin anzuschließen. Ich kann ihr nicht FitzAlans Armee bringen, aber ich kann ihr einen gesunden Mann bringen, der für sie kämpft - ich will mich nicht selbst loben, aber ich kann ganz gut mit Schwert oder Lanze umgehen.«
Nach seiner gehobenen Stimme und dem Funkeln in seinen Augen meinte er es ernst, und dies schien besser zu ihm zu passen als die Rolle eines heimlichen Agenten bei unwilligen Verbündeten. Und warum sollte er keinen Erfolg haben? Die walisische Grenze war nicht weit entfernt; allerdings konnte die Reise nach Gloucester durch die unruhige Wildnis von Powys lang und gefährlich werden. Cadfael betrachtete nachdenklich seinen Gefährten. Er sah einen jungen Mann, der für eine winterliche Fußreise etwas zu leicht bekleidet war, der keine Waffen, kein Pferd und kein Geld besaß, um seine Reise zu erleichtern. Aber all dies schien Ninian nicht abzuschrecken.
»Eine edle Absicht«, sagte Cadfael, »und ich sehe nichts, was dagegen spricht. Selbst in dieser Gegend gibt es einige Anhänger ihrer Partei, wenn sie sich auch heute sehr still halten. Könnte Euch einer von ihnen nützlich sein?«
Er nahm den Köder nicht an. Der Junge verschloß die Lippen und starrte Cadfael mit undurchdringlichem Gesicht an. Wenn er wirklich versucht hatte, mit einem Gefolgsmann der Kaiserin Verbindung aufzunehmen, dann würde er es nie zugeben. Was ihn selbst anging, so vertraute er sich seinem aufmerksamen Beschützer an, aber er würde nie im Leben den Namen eines anderen Mannes nennen.
»Nun«, sagte Cadfael behaglich, »anscheinend werdet Ihr hier nicht besonders eifrig gejagt, und Eure Stellung bei uns hier ist gefestigt. Nichts spricht
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