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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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und Brüder ihre letzte Ruhestätte fanden, das Grab ausheben mußte.
    Cynric schnüffelte in der Luft und dachte mit verschleierten Augen nach. »Morgen wird es sich vielleicht ändern. Ich rieche Tau werter.«
    Das mochte wahr sein. Er lebte eng und ohne Kampf mit den Elementen zusammen und nahm sie, wie sie waren, da sie ihm anscheinend nichts zuleide taten. In seinem kleinen Steinzimmer über dem Vorbau mußte es bitterkalt sein.
    »Hat man schon einen Grabplatz für ihn ausgewählt?« fragte Cadfael den schweigsamen Mann.
    »Dicht bei der Mauer.«
    »Also doch nicht neben Vater Adam? Ich dachte, Prior Robert wollte ihn dort bestatten.«
    »Das wollte er auch«, erwiderte Cynric knapp. »Aber ich sagte ihm, daß die Erde sich noch nicht gesetzt hat. Sie braucht noch etwas Zeit.«
    »Wie schade, daß der starke Frost gerade jetzt gekommen ist. Ein Toter, der unbestattet unter uns liegt, macht die Jungen unruhig.«
    »Wahr«, sagte Cynric. »Je eher er in die Erde kommt, desto besser für alle. Nun, da er tot ist.« Er richtete die zweite dicke Kerze auf dem Spieß aus, trat zurück, um sich zu vergewissern, daß sie aufrecht stand und nicht tropfen würde, und wischte sich die Talgreste von den Händen. Erst jetzt richtete er die tief in den Höhlen liegenden Augen auf Cadfael und zeigte jenes seltene, strahlende Lächeln, das so einzigartig bittersüß war, daß ihm die Kinder so heiter und vertrauensvoll zuliefen. »Geht Ihr heute morgen in die Vorstadt? Ich hörte, daß ein paar Leute dort Schwierigkeiten mit der Kälte haben.«
    »Kein Wunder!« gab Cadfael zurück. »Ich will nach ein oder zwei Kindern sehen, aber bisher ist niemand ernstlich erkrankt.
    Warum, wißt Ihr noch jemand, der mich brauche? Ich habe schon die Erlaubnis und kann auch noch einen Kranken mehr besuchen. Wer ist es?«
    »Die kleine Holzhütte auf der linken Seite in der Nebenstraße am Pferdemarkt, die Witwe Nest. Sie kümmert sich um ihr Enkelkind, den armen Wurm. Eluneds Kind ist es, und sie sorgt sich wirklich um die Kleine.« Cynric gab eine ungewohnt wortreiche Erklärung. »Will keine Milch mehr haben und schreit vor Winden im Bauch.«
     
    »Das Kind wurde gesund geboren?« fragte Cadfael. Es konnte höchstens einige Wochen alt sein, und ohne Mutter war es natürlich seiner besten Nahrungsquelle beraubt. Er hatte nicht den Schrecken und den Zorn vergessen, die durch die Vorstadt brandeten, als die Lieblingshure aller Männer gestorben war. Falls Eluned überhaupt eine gewesen war, denn sie hatte sich nie bezahlen lassen. Wenn die Männer ihr etwas schenkten, dann taten sie es aus freien Stücken. Sie dagegen hatte anscheinend immer gegeben, wenn auch sehr unklug.
    »Ein hübsches Mädchen ist es, groß und munter, sagt die Nest.«
    »Dann hat sie sicher das Zeug, sich den Weg ins Leben zu erkämpfen, auch wenn sie noch so klein ist«, sagte Cadfael beruhigend. »Ich muß noch das richtige Heilmittel für das Innenleben eines Kindes holen; ich will es frisch ansetzen. Wer singt heute für Euch die Messe?«
    »Bruder Anselm.«
    »Wie schön für Euch!« sagte Bruder Cadfael, schon halb unterwegs zum Südtor, um auf dem schnellsten Wege zum Garten und zu seiner Hütte zu kommen. »Es hätte auch Bruder Jerome sein können.«
     
    Das Haus war niedrig und eng, aber gut gebaut, und die dunkle Gasse, in der es an ein größeres Gebäude gelehnt stand, schien im starken Frost frisch und sauber; doch bei feuchtem, mildem Wetter war es sicher ein übelriechendes Loch. Cadfael klopfte an die Tür und rief, um die Bewohner zu beruhigen: »Bruder Cadfael aus der Abtei, meine Dame. Cynric sagte, Ihr braucht mich für das Kind.«
    Ob es seiner oder Cynrics Name war, der ihm die Türe öffnete, das konnte er nicht wissen, aber sogleich regte sich drinnen etwas. Ein Kind heulte herzerweichend, nachdem es wahrscheinlich hastig abgelegt worden war, und die Tür wurde weit aufgestoßen. Aus dem Halbdunkel dahinter winkte ihn eine Frau herein und schloß eilig die Tür, um die Kälte auszusperren.
    Das Haus bestand nur aus diesem einzigen kleinen Raum, und der einzige Zugang für Licht und Auslaß für Rauch war ein Luftloch im Dach. Bei mildem Wetter stand die Tür vermutlich vom Morgengrauen bis zur Dämmerung offen, aber der Frost hatte sie versperrt, und das Innere wurde nur von einer kleinen Öllampe und dem trüben, aber beständigen Glühen eines Feuers in einem Eisenkäfig auf einem flachen Stein unter dem Luftschacht erhellt.

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