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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Glücklicherweise hatte jemand der Witwe Holzkohle gegeben, so daß ein leichter Geruch, aber kaum Qualm in die Nasen stieg. Es gab nur wenig Möbel; eine niedrige Bank in einer Ecke, die zugleich als Bett diente, ein paar Töpfe an der Feuerstelle, ein krummer, kleiner Tisch.
    Cadfael ließ sich ein wenig Zeit, um seine Augen an das Zwielicht zu gewöhnen, bis die Einrichtung nach und nach Gestalt annahm. Die Frau erwartete ihn stehend und schälte sich allmählich wie alles andere aus der Düsternis. Die Wiege, der die Hauptsorge dieses Hauses galt, stand in der am besten geschützten Ecke des Zimmers, wo sie von der Wärme des Feuers erreicht wurde, aber nicht der Zugluft von der Tür oder aus dem Luftschacht ausgesetzt war. Und das Kind darin schrie ungnädig in seinen Windeln, halb im Schlaf, aber aufgrund seines Leidens außerstande, wirklichen Frieden zu finden.
    »Ich habe einen Kerzenstummel mitgebracht«, sagte Cadfael, während er die Umgebung ohne Eile in sich aufnahm.
    »Ich dachte, wir brauchen vielleicht mehr Licht. Wenn Ihr erlaubt!« Er zog den Stummel aus seinem Ranzen, hielt den Docht in die kleine Flamme der Lampe auf der Tonschale und stellte ihn auf eine Ecke des Tisches, wo sein Licht auf die Wiege fiel. Es war ein breiter Kerzenstummel, der von einem Kerzenspieß in der Kirche stammte. Cadfael nahm solche Reste gern auf seine Gänge mit, denn sie standen ruhig auf jeder glatten Oberfläche und konnten nicht umfallen. In dünnen Holzhütten war diese Vorsicht durchaus angebracht; dieses Haus, so armselig es auch war, schien fester gebaut als viele andere.
     
    »Man versorgt Euch mit Holzkohle?« fragte Cadfael an die Frau gewandt, die ihn ruhig, mit gebannten und illusionslosen Augen beobachtete.
    »Mein verstorbener Mann war Förster in Eyton. Der Pächter der Abtei erinnert sich an mich. Er bringt mir auch Holz, die toten Äste und Schnittreste zum Anfachen.«
    »Das ist gut so«, sagte Cadfael. »Ein so kleines Kind muß man warmhalten. Nun sagt mir, woran leidet sie?«
    Die Kleine erklärte es ihm mit leisen, gequälten Schreien selbst, aber sie war gut gewickelt und sauber und konnte mit gesunder, kräftiger Stimme klagen.
    »Seit drei Tagen nimmt sie keine Milch mehr an und schreit vor Blähungen. Aber ich habe sie warm gehalten, und sie hat sich bisher nicht erkältet. Wenn mein armes Mädchen noch lebte, würde ihm der Wurm an der Brust liegen und nicht vom Löffel oder von meinen Fingern saugen. Aber sie ist tot und hat mir die Kleine hinterlassen. Sie ist jetzt alles, was ich habe, und ich will alles tun, damit sie wohlbehalten aufwächst.«
    »Sie macht sich ganz gut, aber ich will sie ansehen«, sagte Cadfael, indem er sich über das wimmernde Kind beugte. »Wie alt ist sie jetzt? Sechs oder sieben Wochen? Für dieses Alter ist sie groß und kräftig.«
    Das kleine, verzerrte Gesicht, ganz jammernder Mund und fest zusammengekniffene Augen, die vor Qual verdreht waren, war rund und hatte eine saubere Haut, die jetzt allerdings vor Anstrengung und Wut gerötet war. Sie hatte üppiges, feines Haar von einem hellen, herbstlichen Braun, das sich zu ringeln begann.
    »Gut genährt war sie, wirklich, bis sie krank wurde. Ein richtiger kleiner Gierhals. Ich war so stolz auf sie.«
    Allzu nachgiebig war die Großmutter gewesen, dachte Cadfael. Sie hatte nicht bemerkt, wann die Kleine genug hatte.
    Kein großes Geheimnis.
    »Ich glaube, damit ist ein Teil des Rätsels gelöst. Gebt ihr nur wenig auf einmal, aber dafür öfter, und tropft in die Milch ein wenig von dem Mittel, das ich Euch hierlasse. Drei oder vier Tropfen werden reichen. Gebt mir einen kleinen Löffel, damit ich ihr eine Dosis einflößen kann, die sie für den Augenblick beruhigt.«
    Die Witwe brachte ihm einen kleinen Hornlöffel, und er nahm den Stopfen von der Glasflasche, die er mitgebracht hatte. Er befeuchtete eine Fingerspitze am Rand der Flasche und legte ihn vor die Unterlippe des zornigen Kindes. Sofort brach das Heulen ab, und das verzerrte Gesicht nahm menschliche Züge an, sogar den sehr menschlichen Ausdruck von Verwunderung und Überraschung. Der Mund schloß sich, die kleinen feuchten Lippen fanden etwas unerwartet Süßes, und wunderbarerweise war es, für ein sieben Wochen altes Kind, ein fein geformter, zarter Mund, der für spätere Jahre große Schönheit versprach.
    Die Röte der Wut verblaßte langsam, bis die Wangen gesund und rosig waren, und Eluneds Tochter schlug große dunkelblaue Augen auf, die

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