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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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befehlen können; ein Schweigen, in dem man ertrinken konnte, wie Ailnoth ertrunken war. Der Kirchdiener stand aufrecht und würdevoll in seinem dunklen Umhang und wartete, daß man ihn weiter befragte, ohne Furcht oder Bedauern, denn er fand nichts Seltsames in dem, was er geäußert hatte. Er hatte keinen Grund gesehen, früher gesprochen zu haben; nun bot er sich an, die Fragen derer zu ertragen, die Erklärungen verlangten.
    »Ihr wißt es?« fragte der Abt, nachdem er eine Weile verwundert den Mann betrachtet hatte. »Warum habt Ihr nicht früher gesprochen?«
     
    »Ich hielt es nicht für nötig. Niemand sonst war in Gefahr.
    Das ist jetzt anders. Die Sache war geschehen, und es war besser, sie ruhen zu lassen.«
    »Wollt Ihr sagen«, verlangte Radulfus zweifelnd zu wissen,
    »daß Ihr dabei wart, daß Ihr Zeuge wart?… Habt Ihr…?«
    »Nein«, sagte Cynric, indem er den langen, grauen Kopf langsam schüttelte. »Ich habe ihn nicht angerührt.« Seine Stimme klang geduldig und ruhig, als würde er zu neugierigen Kindern sprechen. »Ich war dabei, ich habe es gesehen. Aber angerührt habe ich ihn nicht.«
    »Dann erzählt uns«, sagte Hugh ruhig. »Wer hat ihn getötet?«
    »Niemand hat ihn getötet«, sagte Cynric. »Wer Gewalt sät, wird auch durch Gewalt umkommen. Das ist nur gerecht.«
    »Erzählt«, sagte Hugh noch einmal. »Erzählt uns, wie es geschah. Laßt uns alles wissen, damit wir wieder Frieden finden. Ihr sagt also, sein Tod sei ein Unfall gewesen?«
    »Kein Unfall«, sagte Cynric, und seine Augen brannten in den tiefen Höhlen. »Ein Urteil.«
    Er befeuchtete die Lippen und hob den Kopf, um die Mauer der Marienkapelle über ihren Köpfen anzustarren, als wollte er, der nicht lesen konnte, dort die Worte finden, die er sagen mußte; er, der von Natur aus kein Mann vieler Worte war.
    »Ich bin an diesem Abend zum Teich hinausgegangen. Ich bin oft nachts dort draußen, wenn der Mond nicht scheint und niemand wach ist, der mich sehen könnte. Dort zwischen den Weiden, hinter der Mühle, ging sie ins Wasser… Eluned, das Mädchen der Nest… weil Ailnoth ihr die Beichte und das Betreten der Kirche verweigerte und sie vor der ganzen Gemeinde beleidigte und ihr vor der Nase die Tür schloß. Er hätte sie auch gleich ins Herz stechen können, das wäre freundlicher gewesen. Ihre strahlende Schönheit wurde von uns genommen… ich kannte sie gut, denn sie kam so oft zu Vater Adam, um Trost zu finden, und er schickte sie nie mit leeren Händen fort. Und wenn sie sich keine Vorwürfe wegen ihrer Sünden machte, dann war sie ( wie ein Vogel, wie eine Blume, eine Freude für das Auge. Es gibt nicht sehr viele schöne Dinge in der Welt, und niemand sollte eins von ihnen zerstören, ohne dafür zu büßen. Und wenn sie bereute, dann war sie wie ein Kind… sie war ein Kind, er hat ein Kind verstoßen…«
    Er unterbrach sich einen Moment, als wären seine Worte in der Blindheit, die der Kummer brachte, an der Mauer nicht mehr zu lesen. Er runzelte die Stirn, um sie besser zu erkennen, aber niemand wagte es, ein Wort einzuwerfen.
    »Und da stand ich, wo Eluned ins Wasser gegangen war, als er den Weg herunterkam. Ich erkannte ihn nicht, denn er kam nicht ganz bis zu mir - aber ich wußte, daß ein Mann stampfend und murmelnd an der Mühle war. Ein zorniger Mann, so kam es mir vor. Dann stolperte eine Frau hinter ihm her. Ich hörte, wie sie ihn anrief, sie fiel vor ihm auf die Knie, sie weinte, und er versuchte, sie abzuschütteln, aber sie wollte nicht loslassen. Er schlug sie - ich hörte den Schlag. Sie gab nur ein Stöhnen von sich, aber da ging ich hinüber, denn ich dachte, es könnte ein Mord geschehen, und deshalb sah ich - undeutlich nur, aber meine Augen hatten sich an die Nacht gewöhnt, und ich konnte es erkennen - , wie er noch einmal den Stab gegen sie erhob.
    Sie faßte den Stab mit beiden Händen, um den Schlag abzuwehren, und er riß ihn mit aller Macht aus ihren Händen…
    die Frau rannte davon, ich hörte sie über den Pfad davonstolpern, aber ich glaube, sie hörte nicht, was ich dann hörte, und sie weiß nicht, was ich weiß. Ich hörte, wie er zurücktaumelte und auf den Weidenstumpf prallte. Ich hörte, wie die Triebe peitschten und brachen. Ich hörte das Spritzen es war nicht laut - , als er ins Wasser fiel.«
    Wieder gab es ein Schweigen, lang und tief, während er nachdachte und sich bemühte, sich genau zu erinnern, da es von ihm verlangt wurde. Bruder Cadfael, der still hinter

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