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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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den staunenden und wie gebannt zuschauenden Brüdern herangekommen war, hatte nur den letzten Teil von Cynrics Bericht gehört, aber er hielt den winzigen, zerfransten Beweis in der Hand, während er weiter zuhörte. Hughs Falle hatte nichts gefangen; vielmehr waren nun alle Verdächtigen von jedem Vorwurf befreit. Er blickte im stummen Kreis herum, bis er Diota fand. Sanan hatte einen Arm um sie gelegt. Die Frauen hatten ihre Kapuzen eng um die Gesichter gezogen. Eine Hand, die vom scharfkantigen Silberband aufgerissen worden war, hielt die Falten von Diotas Mantel zusammen.
    »Ich ging hinüber«, fuhr Cynric fort, »und sah ins Wasser.
    Erst jetzt erkannte ich ihn als Ailnoth. Er trieb zu meinen Füßen, betäubt oder benommen… ich erkannte sein Gesicht. Seine Augen waren offen… und ich ließ ihn allein und entfernte mich, wie er ihr den Rücken gekehrt und von ihr fortgegangen und vor ihren Tränen die Türe versperrt hatte, wie er in die Tränen dieser anderen Frau geschlagen hatte… wenn Gott wollte, daß er lebte, dann hätte er gelebt. Warum sollte es sonst genau an dieser Stelle geschehen? Und wer bin ich, mich in Gottes Wirken einzumischen?«
    All dies sagte er mit der gleichen vernünftigen Stimme, mit welcher er auch über die Kerzen Rechenschaft ablegte, die er für den Gemeindealtar kaufte. Die Worte kamen langsam und mühsam und nachdenklich, während er versuchte, nun alles zu klären, da die Klarheit notwendig war. Aber für Abt Radulfus waren es Worte, die beinahe wie eine Prophezeiung klangen.
    Selbst wenn er den Mann hätte retten wollen, wie hätte er es tun können? Und war der Priester nicht vielleicht schon jenseits von jeder Rettung? Und allein im Dunkeln, keine Zeit, um Hilfe zu holen, da alle sich auf den Abendgottesdienst vorbereiteten, allein an diesem unterspülten Ufer, das Gewicht eines großen, starken Mannes, mit dem er allein zurechtkommen mußte hätte ein Mann allein den Priester retten können? Man nahm besser an, daß es unmöglich war und akzeptierte, was Cynric wie der Wille Gottes erschienen war!
    »Und nun, mit Eurer Erlaubnis, Herr Abt«, sagte Cynric, der höflich, aber vergeblich auf einen Kommentar oder eine Frage gewartet hatte, »wenn Ihr mich nicht mehr braucht, will ich das Grab weiter auffüllen, denn ich werde den größten Teil des Tageslichtes brauchen, um es ordentlich zu machen.«
    »Tut das«, erwiderte der Abt und sah ihm einen langen Moment in die Augen. Sein Blick verriet keine Spur eines Vorwurfs, und Cynric zeigte keine Spur von Zweifel. »Tut es und kommt zu mir, Euren Lohn zu holen, wenn Ihr fertig seid.«
    Cynric ging wie er gekommen war und machte sich wieder an die Arbeit, und wer ihn in ehrfürchtigem Schweigen beobachtete, sah keine Veränderung in seinem langbeinigen Gang oder in dem ruhigen, beständigen Rhythmus, mit dem er seinen Spaten in die Erde stach.
    Radulfus blickte zu Hugh und dann zu Jordan Achard, der sich stumm und halb verwelkt vor Erleichterung zwischen seinen Wächtern hielt. Einen Augenblick zeigte sich im strengen Gesicht des Abtes die Andeutung eines Lächelns.
    »Herr Sheriff, ich glaube, Eure Anklage gegen diesen Mann ist erledigt. Was seine sonstigen Sünden angeht«, sagte der Abt, indem er den am Boden zerstörten Jordan streng ins Auge faßte, »so empfehle ich ihm die Beichte. Und er mag Besserung geloben! Vielleicht denkt er einmal über die Gefahren nach, in die er sich mit seinem Verhalten gebracht hat, und nimmt diesen Tag als ernste Warnung.«
    »Ich für meinen Teil bin froh, daß nun die Wahrheit aufgedeckt und bewiesen ist, daß niemand hier die Schuld am Mord an diesem Manne trägt«, erklärte Hugh. »Herr Achard, Ihr dürft nach Hause gehen und froh sein, daß Ihr eine so treue und pflichtbewußte Frau habt. Wie gut für Euch, daß wenigstens einer für Euch sprechen konnte, denn die Beweise gegen Euch wären stark gewesen, wenn es keinen solchen Zeugen gegeben hätte. Laßt ihn frei!« sagte er zu seinen Soldaten. »Soll er seinen Geschäften nachgehen. Aber er sollte dem Gemeindealtar etwas stiften, um für den guten Ausgang zu danken.«
    Jordan wäre fast im Boden versunken, als die beiden Soldaten die Hände von ihm nahmen, und Will Warden kam gutmütig heran, um ihn zu stützen, bis er wieder sicher auf den eigenen Beinen stehen konnte. Nun war es wirklich vorbei, aber die Menschen waren vor Staunen wie versteinert, und es brauchte noch einen abschließenden Segensspruch, um sie in Bewegung zu

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