Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
ließ nicht zu, daß bei Tisch weltliche Angelegenheiten diskutiert wurden. Die Freuden der Tafel waren ein Genuß, den er sich nur selten erlaubte und deshalb sehr achtete.
    »Welche wäre das?« fragte Hugh.
    »Hat er die ganze Wahrheit gesagt?«
    Hugh sah den Abt scharf an. »Cynric? Wer von uns könnte von irgendeinem Mann behaupten, er habe noch nie gelogen?
    Aber jeder sagt über Cynric, daß er nur spricht, wenn er unbedingt muß, und dann immer genau zur Sache. Deshalb sprach er erst, als Jordan angeklagt wurde, Cynric fällt das Sprechen schwer, und ich bezweifle, ob er in seinem ganzen Leben schon einmal soviel gesagt hat wie heute morgen. Ich glaube nicht, daß er seinen Atem auf Lügen verschwenden würde, wenn ihn selbst die notwendige Wahrheit soviel Mühe kostet.«
    »Er zeigte sich heute recht redselig«, erklärte Radulfus mit einem trockenen Lächeln. »Aber ich wäre froh, wenn wir einen sicheren Beweis als Bestätigung für seine Aussage hätten. Er mag sehr wohl mehr getan haben, als dem Mann nur den Rücken zu wenden und fortzugehen, um die Entscheidung über Leben und Tod der Gnade Gottes zu überlassen oder jener Macht, die er in einem so seltsamen Fall für den Sachwalter der Gerechtigkeit hielt. Er könnte sogar selbst den Schlag geführt haben. Oder er hat es beobachtet, wie er erklärte, hat aber den Priester ins Wasser gestoßen, während dieser betäubt war. Ich glaube zwar nicht, daß Cynric sehr erfinderisch ist, wenn es darum geht, plausible Tarngeschichten zu erfinden, aber wir können es nicht mit letzter Sicherheit wissen. Ich halte ihn auch nicht für einen gewalttätigen Mann, nicht einmal, wenn er provoziert wird, aber auch das können wir nicht wissen. Und selbst wenn er die volle Wahrheit sagte, was sollen wir mit ihm tun? Wie sollen wir mit ihm verfahren?«
    »Ich für meinen Teil«, sagte Hugh entschlossen, »will und kann nichts weiter tun. Kein Gesetz wurde gebrochen. Es mag eine Sünde sein, einen tödlichen Unfall einfach geschehen zu lassen, aber es ist kein Verbrechen. Ich halte mich an meine Vorschriften. Sünder fallen unter Eure Gewalt, nicht unter die meine.« Er fügte nicht hinzu, daß auch den Mann eine gewisse Schuld traf, der Ailnoth, einen kaum bekannten Fremden, als Priester in eine offene Stelle einsetzte, ohne die Herde zu fragen, ob der neue Hirte auch genehm war. Aber er vermutete, daß der Abt in diese Richtung dachte und ständig daran gedacht hatte, seit die ersten Klagen an seine Ohren drangen.
    Er war kein Mann, der vor seinen eigenen Fehlern die Augen verschloß oder sich vor der eigenen Verantwortung drückte.
    »Eins kann ich Euch sagen«, erklärte Hugh. »Was er über die Frau sagte, die Ailnoth folgte und von ihm niedergeschlagen wurde, entspricht der Wahrheit. Frau Hammet behauptete zunächst, sie sei auf vereistem Boden ausgeglitten. Das war gelogen. Der Priester fügte ihr die Verletzung zu, sie hat es Bruder Cadfael gegenüber eingestanden, als er ihre Verletzung versorgte. Und da ich nun Cadfael schon erwähne, glaube ich, Ihr tätet gut daran, nach ihm zu schicken, Vater Abt. Ich fand seit heute morgen noch keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und ich glaube fast, er hat in dieser Angelegenheit noch einiges zu sagen. Er war nicht unter den Brüdern auf dem Friedhof, als ich kam; ich habe mich nach ihm umgesehen und konnte ihn nicht finden. Er kam erst später dazu, und zwar nicht aus der Vorstadt, sondern aus dem Hof. Er muß gute Gründe gehabt haben, sich zu entfernen. Wenn er mir etwas zu sagen hat, dann darf ich es nicht vernachlässigen.«
    »Ich auch nicht, wie es scheint«, sagte Radulfus und langte nach der kleinen Glocke auf dem Tisch. Das leise silberne Klingeln rief seinen Sekretär aus dem Vorzimmer herein.
     
    »Bruder Vitalis, wollt Ihr bitte Bruder Cadfael suchen und ihm bestellen, er möge zu uns kommen?«
    Als die Tür wieder geschlossen war, dachte der Abt eine Weile schweigend nach. »Ich weiß jetzt natürlich«, sagte er schließlich, »daß Vater Ailnoth tatsächlich böse getäuscht wurde, was seinen Zorn ein wenig entschuldigt. Aber die Frau -
    ich nehme an, daß sie mit dem Jungen, den wir als Benet kannten, gar nicht wirklich verwandt ist? - sie war ihrem Herrn drei Jahre lang eine treue Dienerin, und ihr einziges Vergehen bestand darin, den Jungen zu beschützen; ein Vergehen, das nur ihrer Zuneigung entsprang. Sie soll, soweit ich es zu bestimmen habe, nicht bestraft werden. Sie soll hier in Frieden leben,

Weitere Kostenlose Bücher