Mörderische Weihnachten
es. Ich will es nicht, hörst du!«
Brenda holte tief Luft. Sie wies zur Tür. »Geh jetzt, Frank. Ich bitte dich, laß uns in Ruhe! Geh!«
»Du willst mich rauswerfen?«
»Ja!«
In die Augen des Mannes trat ein gefährlicher Ausdruck. Haß und Wut überschwemmten ihn.
Martin stand dabei und tat nichts. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Nicht ein Wort drang über seine blaß gewordenen Lippen. Die Wangen zitterten, er atmete durch den Mund. In seinen Augen glitzerten Tränen, aber er schaute seinen Vater mit einem vernichtenden Blick an. Der kümmerte sich nicht um den Sohn. Brenda war wichtiger. Er ging auf sie zu. Breitbeinig bewegte er sich. Vielleicht hatte er auch Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Mit einer wilden Bewegung riß er den angeklebten Bart ab und schleuderte ihn in die Ecke. Ganz hatte er ihn nicht entfernen können. Einige Reste blieben noch hängen. Sie zitterten als dünne Fäden an seinem Kinn.
»Das hast du nicht umsonst gesagt, Brenda. Nein, das hast du nicht. Ich schlage immerzurück, auch bei dir.« Er holte aus. Brenda schrie nicht. Sie nahm den Schlag hin, auch den nächsten und übernächsten.
Martin erlebte eine schreckliche Szene. Der Vater prügelte die Frau quer durch den Raum, die kein Wort des Schmerzes über ihre Lippen ließ. Der Mann geriet in einen Rausch, und Martin erlebte einen fürchterlichen Alptraum, der leider keiner war.
Schließlich lagen beide am Boden, und irgendwann erhob sich Frank Adamic wieder.
Schweratmend blieb er stehen. Mit einer wütenden Bewegung fegte er sein Haar zurück, das ihm bis in die Stirn gerutscht war. Er schüttelte sich und lachte hart. »Weihnachten!« keuchte er. »Verdammt, was soll das überhaupt? Es interessiert mich gar nicht. Ich feiere das Weihnachtsfest auf meine Art und Weise, nicht wahr, mein Sohn?«
Er hatte Martin zwar angesprochen, doch der Junge gab keine Antwort. Er hatte nur Augen für seine Mutter, die dicht neben dem Tannenbaum lag und sich nicht rührte. Ihr Kleid war an einigen Stellen zerrissen. Blutflecken lagen auf ihrem Gesicht, die Augen waren so weit aufgerissen, der starre Blick richtete sich gegen die Decke. Frank Adamic packte Martin hart an der Schulter und drehte ihn herum.
»He, weshalb sagst du nichts?«
Er drehte sich herum und starrte gegen die Wand.
Sein Vater fluchte. Aus der Tasche seines Weihnachtsmantels holte er eine Flasche. Er trank den billigen Gin wie Wasser, verkorkte die Flasche wieder und begann zu singen. Irgendein Weihnachtslied, das ihm gerade in den Sinn kam, obwohl er den Text nicht richtig kannte. Zwischendurch rief er immer wieder »Frohe Weihnachten, ihr verdammten Miststücke! Fröhliche Weihnachten…«
Urplötzlich brach sein Geschrei ab. Seiner leblosen Frau drehte er den Rücken zu, dafür starrte er zu seinem Sohn hin. »Los, Söhnchen, dreh dich um!«
Martin gehorchte nicht.
Er wurde geschlagen und starrte danach seinem Vater in das vom Alkohol gerötete Gesicht. »Weißt du, was ich mir vorgenommen habe, Kleiner? Nein, du kannst es nicht wissen. Aber wir beide werden jetzt gemeinsam Weihnachten feiern. Ja, wir beide. So wie ich es mir gedacht habe. Du wirst deinen Spaß bekommen, darauf kannst du dich verlassen. Es wird ein tolles Fest werden, ein Fest…« Er brach den Satz ab und begann zu lachen. »Ein Fest der wahren Freude. Hast du dich schon mal teuflisch gefreut? Wenn nicht, werde ich dir das gern zeigen, und du wirst begeistert sein.«
Martin schüttelte den Kopf. »Ich will nicht!«
Frank Adamic holte Luft. »Ach, wirklich? Du willst nicht. Daß ich nicht lache. Du mußt wollen. Ich werde dich zwingen, daß du willst, hast du verstanden?«
»Laß mich hier!«
»Nein!« schrie Adamic, und sein Gesicht verzerrte sich dabei. »Du kommst mit mir. Jeder Vater hat das Recht, mit seinem Sohn das Weihnachtsfest zu feiern. Und das werde ich jetzt. Aber es wird ein Fest werden, wie du es noch nie in deinem Leben erlebt hast. Du wirst es auch nie vergessen, das schwöre ich dir, mein Junge. Ich habe jemand etwas versprochen, und das werde ich auch halten.«
Sein Griff war eisern, als er Martin am Arm anpackte. Der Junge hatte keine Chance, sich zu befreien. Gegen die rohen Kräfte seines Vaters kam er einfach nicht an.
So wurde er aus dem Raum gezerrt und bekam nicht einmal die Chance, sich umzudrehen, um einen letzten Blick auf seine Mutter zu werfen. Auch wenn Martin es nicht genau mitbekommen hatte, er ging dennoch davon aus, daß seine Mutter nicht
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