Mörderischer Stammbaum
dem Geld. Nächster Halt. Lewatzki stand auf.
Redl ging mit ihm.
Die Rolltreppe hoch. Ein
Vorort. Eine eher miese Gegend. Der Tag war jetzt grau, und durch die Straßen
pfiff kalter Wind.
Redl hatte seine Pistole in die
Jackentasche gesteckt und ließ die Hand am Kolben.
Sie schritten nebeneinander.
Lewatzki schien sich zu fügen. Er wohnte in einer kahlen, unschönen Straße —
und natürlich hatte er gelogen. Von den 196 000 — soviel betrug die bisherige
Beute exakt — hatte er über 120 000 in seiner Wohnung versteckt. Dazu kamen 22
000 DM von heute.
Sämtliche Taschen an Redl waren
prall mit Barem gefüllt, als er Lewatzkis Wohnung verließ. Natürlich — der
,Kleine’ kochte vor Wut. Aber er wußte auch, daß er froh sein konnte. Er hatte
einen Komplicen gewonnen — wie Redl das ausdrückte — und war nicht bei den
Bullen gelandet.
Auf dem Weg zur U-Bahn-Station
achtete Redl darauf, daß ihm Lewatzki nicht folgte. Zurück! Und zum Parkplatz
nahe der Fußgänger-Zone. Beim Bankhaus Cash & Lappen war alles wie
vorher. Allerdings stand an der Ecke ein Polizeifahrzeug.
Redl holte seinen Wagen und
fuhr heim. Er war Single. Im Umland, wo er wohnte, betrieb er einen kleinen
Betrieb, der bei den meisten Menschen nur Widerwillen hervorrief. Redl rechnete
sich — großspurigerweise — zur chemischen Industrie. Er produzierte Gifte.
Rattengift, Insektengift und neuerdings vor allem Giftköder für Tauben. Schon
etliche Umweltämter der Städte bezogen die todbringenden Produkte bei ihm. Und
Bernhard Kovechluser, Stadtrat und Taubenfeind Nummer eins, war ein guter
Freund von ihm.
Über 70 000 einfach so
abgesahnt, dachte Redl. Wenn das kein Glückstag ist! Heute Abend gieße ich
einen auf die Lampe. Ja, das muss gefeiert werden.
6. Sechsundzwanzig Überfälle
Kommissar Glockner kam gerade
von einem Meeting mit dem Polizeipräsidenten und anderen führenden Köpfen,
hatte eigentlich keine Zeit, nahm sie sich dann aber doch, als ihm Gaby — nach
dem Begrüßungsbussi — Helga Hoppenheide vorstellte. Denn die war auf Drängen
der Kids mitgekommen, um hier an richtigster Stelle ihre Aussage zu machen.
Dabei kam allerdings nichts
Neues heraus. Glockners Assi übernahm das Protokoll. Helga, die am frühen
Nachmittag einen beruflichen Termin hatte, verabschiedete sich dann. Und Tim
berichtete, was es über Redl zu sagen gab.
„...aber leider eine tote
Fährte, Herr Glockner.“
Gabys Vater saß hinter dem
Schreibtisch und kippelte mit seinem Drehstuhl.
„Lothar Redl?“ Glockner furchte
die Stirn. „Ist das der Giftköder-Redl?“
Die Kids schauten verblüfft.
Dann klatschte sich Karl vor die Stirn.
„Klar! Jetzt hab ich’s wieder.
Ja, in dem Zusammenhang habe ich Redls Foto in der Zeitung gesehen. Ich wusste
doch, dass es was Mieses war. Ja“, wandte er sich an seine Freunde, „dieser
Redl hat eine kleine Fabrikation für Ungeziefer-Vernichtungsmittel. Mäusetod,
extra-stark, zum Beispiel. Wirkt auch bei einer gen-manipulierten Supermaus.
Pfui, Teufel! Ja, Redl stellt die Giftköder her, mit denen Tauben vergiftet
werden. Das Zeug schmeckt sicherlich wie erstklassiges Federvieh-Futter, wirkt
aber tödlich wie der Elektrische Stuhl.“
Stille. Dann sagte Gaby: „Ich
bin froh, Tim, dass du diesen Kerl umgeworfen hast. Hättest noch auf ihm
rumtrampeln sollen.“
„Gaby!“ Es sollte missbilligend
klingen. Aber Glockner hätte beinahe gelächelt. „Ich verstehe ja deine
Tierliebe. Die Herstellung von Giftfutter ist ebenso schändlich wie die
Rüstungsindustrie, die Produktion von Kriegswaffen. Aber Redls Tun ist leider
legal. Deshalb könnt ihr nicht gegen ihn vorgehen.“
„Manchmal steht die Welt Kopf,
Papi. Vieles, was furchtbar ist, wird erlaubt.“
Glockner nickte mit leichtem
Zögern.
Er vertritt das Gesetz, dachte
Tim. Er kann uns nicht anheizen, draufzuhauen in so einer Sache. Aber er denkt
wie wir. Ist ja irre heute mal wieder. Erst Bierröder, der Taubenschlächter.
Und dann dieser Redl. Unverdächtig als Beißer. Aber Zulieferer in Sachen
Taubenmord. Vielleicht ist der Kerl dort rumspaziert, um Bierröder den Job zu
erschweren. Logo! Wenn der mit seinem Totschläger köpft, geht bei Redl der
Absatz zurück, weil die Nachfrage sinkt und damit der Umsatz sich mindert. Aber
mit seiner tödlichen Handarbeit wird Bierröder die Fabrikanten-Existenz nicht
gefährden. Nein, dem einen wie dem andern muss man härter kommen. Aber davon sagen
wir Gabys Vater nichts. Sonst gerät er
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