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Mörderischer Stammbaum

Mörderischer Stammbaum

Titel: Mörderischer Stammbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Dreistigkeit!
    Redl hätte den ‚Kleinen’
beinahe bewundert.
    Nur zweimal sah der sich um,
flüchtig. Jetzt lief er die Stufen zur U-Bahn hinunter. Eben fuhr der Zug ein,
rumpelnd und dröhnend.
    Der ‚Kleine’ stieg in den
letzten Wagen. Der war leer. Hier waren sie allein.
    Der ‚Kleine’ setzte sich, hob
den Blick, sah Redl und erkannte ihn wieder.
    Redl weidete sich an dem
Schrecken.
    „Keine Dummheiten!“ Er zog
seine Pistole, eine Walker 7.65, etwas unter der Windjacke hervor. „Die ist
echt, Freundchen. Du hast nur Tränengas.“
    Der ‚Kleine’ glotzte und
schwieg.
    Dann: „Sind Sie... ein Bulle?“
    „Ich bin kein Bulle. Ich bin
dein stiller Teilhaber.“
    „Was?“
    Schon vorhin, als er vor der
Bank wartete, hatte Redl die Idee ausgebrütet. Sie war genial. Und wenn’s um
Geld ging, kannte Redl nichts. Geld — das war doch der Schlüssel zum Glück.
Oder etwa nicht? Mit Geld konnte man fast alles kriegen auf dieser Welt. Ohne
Moos sah’s belämmert aus im Allgemeinen und im Besonderen. Oder etwa nicht?
    „Wieviel hast du?“, fragte
Redl. „20 000? 30 000? Ich helfe dir beim Zählen. Dann machen wir halbe-halbe.
Das ist deine einzige Chance. Ist ja immerhin dein sechster Banküberfall.“
    „Was? Wieso? Wovon reden Sie?
Mann, wie kommen Sie auf sowas?“
    „Frag nicht so blöd! Die
Beschreibung des Täters, des Kleinen, war jedesmal gleich. Insgesamt hast du
bis heute 200 000 abgeräumt. Seit dem Frühsommer. Wo ist die Kohle?“
    Aus der Nähe hatte der
Semmelblonde ein hartes Gesicht.
    „Das... Also hören Sie…“, er
schwitzte. „Wir können... Ich verwahre mich gegen so eine Beschuldigung. Ich
fühle mich bedroht. Sie haben eine Waffe und...“
    „Wo du deine Kohle hast, will
ich wissen!“
    Der ,Kleine’ atmete scharf. Er
zischte durch die Zähne. Aber er schien endlich zu begreifen, dass ihm
Ausflüchte nicht halfen.
    „Das Geld habe ich ausgegeben.
Habe Schulden bezahlt. Oder denken Sie, ich mache die Überfälle aus Lust am
Abenteuer. Da wüsste ich was Besseres. Bungeejumping oder Rafting (Befahren
von Stromschnellen mit einem Schlauchboot). Falls Sie wissen, was das ist.
Bei einem bescheuerten Pistolenträger wie Ihnen ist ja alles möglich — auch das
totale Von-gestern-sein.“
    Er wird frech, dachte Redl. Er
sitzt in der Falle wie eine Ratte mit dem Rücken an ‘ner Betonwand. Er beißt um
sich, der Kleine. Aber dem werde ich zeigen, wer hier der Chef ist.
    „Name!“
    „Was?“
    „Wie du heißt? Sagst du’s? Oder
soll ich dir ins Knie schießen und dich der Polizei übergeben?“
    „Dann wäre es aber nichts mit
halbe-halbe.“
    „Ich bin nicht darauf
angewiesen, Kleiner. Ich komme auch ohne das sehr gut zurecht.“
    „Äh... Also gut. Ich heiße
Holger Lewatzki.“

    „Wohnst du allein?“
    Lewatzki nickte. „Und wie
heißen Sie?“
    Redl grinste. „Das wirst du nie
erfahren. Jedenfalls nicht von mir. Was du nicht weißt, kannst du den Bullen
nicht verpfeifen. Falls die dich erwischen. Meine Beschreibung würde nicht viel
bringen. So wie ich sehen Hunderte aus. Außerdem bin ich nicht von hier“, log
er, „sondern... Egal! Ich komme häufig in die Stadt. Und du bist jetzt mein
Goldesel.“
    „Was... was meinen Sie damit?“
    „Als dein stiller Teilhaber,
Lewatzki, kassiere ich bei jedem Überfall. Heute kriege ich die Hälfte. Auch
von dem was noch übrig ist von den 200 000. Denn da ist noch gewaltig viel
übrig. Habe ich Recht?“
    „Nein. Nichts ist übrig.“
    „Das kannst du jemandem
erzählen, der für seine Unterhose eine Gebrauchsanweisung braucht. Deine Bude,
Freundchen, die stellen wir auf den Kopf. Da wird sich zeigen, was noch da ist.
Ich kriege also die Hälfte. Aber bei deinen künftigen Coups bin ich
bescheidener. Da nehme ich nur 40 Prozent. Damit du die Lust nicht verlierst.
Klar?“
    „Das war heute mein letzter
Überfall.“
    „Wie? Ich höre wohl nicht
recht!“
    „Ich mache das nicht mehr. Mit
meinen Schulden bin ich fertig.“
    „Du wirst weitermachen,
Lewatzki! Mindestens einmal im Monat. Und immer so schön clever wie bisher. Ich
erfahre ja alles aus der Zeitung. Den Kleinen erkennt man. Ich erfahre auch,
wie hoch die Beute ist. Du machst weiter! Zier dich nicht. Du hast keine Wahl.“
    Sie starrten sich an. Lewatzki
senkte den Blick.
    Die U-Bahn donnerte über die
Gleise. Nächster Halt. Leute stiegen ein. Abfahrt. Redl hatte sich neben
Lewatzki gesetzt. Sie redeten nicht mehr. Der Bankräuber hielt die Falttasche
mit

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