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Mörderischer Stammbaum

Mörderischer Stammbaum

Titel: Mörderischer Stammbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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uns später. Zunächst geht es indirekt um Sie.“
    „Und direkt?“
    „Um Ihren Urgroßvater.“
    „Habe ich nicht.“
    „Jeder hat einen Urgroßvater.
Sogar zwei.“
    „Meine Altvorderen sind schon
lange verblichen.“
    „Allerdings.“
    Petra beobachtete ihr
Gegenüber, wartete eine Reaktion ab. Aber das grobschlächtige Gesicht zeigte
keine.
    Petra strich ihr blondes Haar
über die Schulter zurück. „Ganz recht, Herr Kovechluser. Ihr Urgroßvater ist
schon lange tot. Er starb 1902. Das heißt, ihm wurde der Kopf abgeschlagen.“
    „Wie bitte?“
    „Eine Hinrichtung, Herr
Kovechluser.“
    „Eine... was...?“ Sein Blick
wurde eisig. Und flackerte etwas.
    „Eine Hinrichtung, Herr
Kovechluser. Am 19.2.1902. Ist leicht zu merken, wie? Der Henker besorgte die
Hinrichtung. Im damaligen österreichischen Kaiserreich, in der K.u.K.-Monarchie
wurde nicht die Guillotine benutzt wie in Frankreich, sondern das Handbeil.
Schrecklich, nicht wahr? Ich bin gegen die Todesstrafe.“
    Seine Zungenspitze fuhr über
die Lippen, aber er öffnete den Mund nicht weit.
    „Was? Was reden Sie da?“
    Tatsächlich! dachte Petra. Er
scheint nichts zu wissen von seinem Urahn.
    „Es läuft manchmal seltsam im
Leben, Herr Kovechluser. Ich mag Sie nicht. Ich verachte Ihre Einstellung. Wenn
ich Ihren Namen nur denke, wird mir übel. Und bis heute Vormittag fühlte ich
mich hilflos gegen ihre tierfeindliche Politik. Aber dann kam alles ganz
wunderbar. Plötzlich passen die Dinge zusammen und eine Situation entsteht, so
brisant wie Dynamit. Brisant für Sie.“
    „Ach, wirklich?“
    „Eine Erschütterung genügt und
alles fliegt in die Luft.“
    „Reden Sie keinen Quark! Kommen
Sie zur Sache.“
    „Aber gern. Es geht um Ihr
Ansehen, Herr Kovechluser. Um Ihre gesellschaftliche, politische und auch
geschäftliche Stellung.“
    „Ich verstehe kein Wort.“
    „Ich war gerade in Wien bei
einer Freundin. Ein Besuch. Ganz privat. Aber damit fängt es an. Doch zunächst
mal — das muss ich voranstellen — zu Ihrer Person. Sie sind Bernhard
Kovechluser, 49 Jahre, Bauunternehmer und Stadtrat. Sie sind einfacher
Herkunft, aber clever und haben Ellbogen wie Stahl. Sie sind rücksichtslos und
haben Millionen gemacht. Mit dem Reichtum kam auch der Wunsch nach
gesellschaftlicher Anerkennung. Wie das so ist bei denen von ganz unten, die —
sobald sie Geld haben — zu spinnen anfangen. Sie haben sich den Titel eines
Konsuls gekauft und den Dr. h. c.! (h. c. = Zusatz zu einem ehrenhalber
verliehenen Doktortitel) Lachhaft, aber was soll’s. Sowas passt zu einem
Herrn Neureich. Als Politiker mit sehr radikalen Ansichten stehen Sie bei Ihrer
Partei inzwischen in vorderster Reihe. Ja, Herr Kovechluser, da hat man
allerhand zu verlieren.“
    „Quatschen Sie sich nur aus.
Ich habe unendlich viel Zeit.“
    „Für Sie wäre es tödlich, wenn
bekannt würde, was für eine Bestie Ihr Urgroßvater war.“
    „Eine Bestie? Was soll das
heißen? Mein Urgroßvater war...“, Kovechluser stockte, runzelte die Stirn und
starrte die Wand an. „Ich glaube, er war Handwerker. Tischler. Im
österreichischen Innviertel. Ja, ich glaube. Wieso Bestie? Was meine Sie?“
    „Sie wissen wirklich nichts?“
    „Was, zum Teufel, soll ich
wissen? Das mit der Hinrichtung — da haben Sie doch nur geblufft.“
    „In Wien gibt es ein
Kriminalmuseum. Heute Vormittag war ich dort. Nur so. Aus Interesse. Zufällig.
Zig Fälle sind dort dokumentiert. Auch der von Friedrich Kovechluser. Er lebte
von 1867 bis 1902. Ihr Urgroßvater. Das wußte ich natürlich nicht gleich. Aber
ich entsann mich, dass Sie in einem Zeitungsinterview geäußert haben, Ihr Name
sterbe mit Ihnen aus. Ein seltener Name. Verwandte gebe es nicht mehr, haben
Sie gesagt. Keine Seitenlinie. Und Sie sind ja nun auch in zweiter Ehe
kinderlos.“
    Kovechluser wischte sich über
die Stirn. „Ja, mein Urgroßvater hieß Friedrich. Aber ich weiß nichts über ihn.
Wieso wurde er hingerichtet?“
    „Er war ein Unhold. Er hat
Frauen überfallen, geschändet und erwürgt. Hat sie zugerichtet wie ein
Raubtier. Nach dem sechsten Mord hat man ihn gefasst.“
    Na also!, dachte Petra. Jetzt
schwitzt er. Jetzt kriegt er die Flatter. Diesen Stammbaum kann er nicht
gebrauchen. Seine Lifestory las sich so easy. Aber jetzt wird es uncool.
„Also... Das kann nicht wahr sein, Frau Delhis.“
    „Es ist wahr. Aber das bedeutet
ja nicht, dass sich diese Mordlust fortpflanzt in den Genen bis in die vierte
Generation. Nein,

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