Mörderisches Musical
drückte die
Zigarette auf dem Kunstlederbezug des Schreibtisches aus, verstreute dabei
Asche und fügte der Vielzahl der schon vorhandenen Narben eine neue hinzu.
»Stimmt es denn nicht?« Worauf wollte er hinaus?
»Wann dann? Das Theater war fest verschlossen, als wir kamen.«
»Wann war das?«
»So um halb zwölf.«
Bernstein nickte. Er genoß ihre Entrüstung.
»Tja. Aber sie war noch warm, als wir kamen.«
»Erzähle
mir alles«, befahl Smith. »Und ich meine alles.« Ihre
haselnußbraunen Augen blitzten vor Neugier und Vorfreude. Die verrücktesten
Sachen brachten sie in Stimmung.
Coco Pazzo an einem Sonntag abend. In Wirklichkeit war es erst halb sieben,
doch Wetzon hätte schwören können, daß sie gerade zwei Wochen in einem kalten,
schmutzigen Alptraum verbracht hatte. Sie seufzte. »Laß mich erst einmal
verschnaufen, Smith. Ich bin es immer wieder durchgegangen mit diesem
schrecklichen Detective...«
»Dilla Crosby war letzten Monat in Mirabella abgebildet. Sie war im Kommen...«
»Nicht mehr.« Es klang schnoddriger, als sie
gewollt hatte.
»Um Himmels willen, Witze. Du machst immer bloß
Witze. Du läßt einen nie teilhaben.«
»Gerade eben lasse ich dich teilhaben.« Was sie
sich teilten, war ein toskanischer Antipasto aus gegrillten Gemüsen und
Fadennudeln mit Meeresfrüchten, Hausmacherart, wie Coco Pazzo das
Abendessen an zwanglosen Sonntagabenden servierte. Das Restaurant war so in,
daß man Wochen im voraus reservieren mußte. Hier speisten alle wichtigen Leute.
Aber davon abgesehen war das Essen auch köstlich, und die cremefarbenen Wände,
weißen Tischdecken und Stilleben aus Flaschen und Karaffen machten die
Atmosphäre des Raumes aus, der einmal der Speisesaal des Volney Hotels gewesen war.
Smith verdrehte die Augen zum Himmel, als wäre
der Umgang mit Wetzon eine schwere Bürde. Sie schüttelte die dunklen Locken
auf. Ihre Fingernägel schimmerten in einem makellosen tiefen Rosa. »Du bist die
schwierigste Person, die ich kenne, und je älter du wirst, desto schlimmer wird
es.«
»Tausend Dank. Du bist mir eine Freundin. Du
würdest auch nicht gerade einen Preis für Liebenswürdigkeit gewinnen.« Wetzon
betrachtete ihre Geschäftspartnerin prüfend. Sie war eine schöne Frau. Glatte
olivenfarbene Haut, hohe Backenknochen und mandelförmige Augen. Und ihre
makellose Figur hielt Smith, ohne auch nur den kleinen Finger zu körperlicher
Betätigung zu heben. Und groß war sie. Was konnte man mehr wünschen? Dennoch war
Smith nie zufrieden — wenigstens nicht für sehr lange. Sie war narzißtisch. Sie
wechselte Liebhaber, wie sie ihre Garderobe wechselte, und sie packte das Leben
an, als wäre es eine einzige große Verführung. Verführen und beherrschen.
Daß Wetzon sie nach so vielen Jahren gut genug
kannte, um nicht verletzt zu sein, verstand sich von selbst, doch es
funktionierte nicht immer so.
Smith trank einen Schluck Rotwein und füllte aus
einem Becher das dunkelgrüne Olivenöl auf dem flachen Teller nach, dann tunkte
sie einen Keil Focaccia in das Öl. »Warum bist du so gereizt?« Sie nahm einen
Bissen und schnurrte beinahe. »Das schmeckt wunderbar .«
Wetzon blickte auf ihren Teller und schob die
gerösteten roten Paprika näher an die Aubergine und die Aubergine näher an die
Zucchini. »Weißt du, Smith, manchmal sehe ich uns wie ein altes Ehepaar. Wir
kamen in einer stürmischen Romanze zusammen und haben praktisch nichts gemein.
Und jetzt, wo der Lack ab ist, ergeben sich aus unserer unterschiedlichen
Einstellung zum Leben Anlässe für Streit.« Sie blickte über den Tisch und sah
überrascht, daß Smith’ Augen in Tränen schwammen. »Du meine Güte, tu das jetzt
nicht.«
»Was meinst du, >tu das jetzt nicht Du
hast mir schrecklich weh getan. Versuchst du, mir mitzuteilen, daß du unsere
Partnerschaft lösen willst?«
Wetzon war bestürzt. Wie hatte sie es dazu
kommen lassen können? »Nein! Mein Gott, nein! Wir sind gut zusammen, oder
nicht?«
»Das habe ich immer geglaubt.« Smith tupfte mit
einem Papiertuch ihre Tränen ab und schniefte. »Und du bist meine beste
Freundin, Zuckerstück. Ich liebe dich.« Sie griff über den Tisch nach Wetzons
Hand.
Wetzon fühlte sich elend. »Ich dich auch. Ich
habe einfach so dahingeredet.« Sie ließ Smith ihre Hand nehmen.
»Aber du gehst so achtlos mit meinen Gefühlen
um...«
»Okay. Genug. Ich habe es nicht so gemeint. Was
willst du über Dilla wissen?« Schon war sie wieder in Smith’ Klauen. Wie
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