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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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war.
    Carlos machte einen tiefen Plié. »Habt ihr Sam
gesehen? Ich brauche eine klitzekleine Änderung...«
    Aline schüttelte den Kopf. »Du hast sicher den Globe gelesen.«
    »Wie hätte mir der entgehen können? Häschen, ich
treffe dich in fünfzehn Minuten im Remington’s. Komm nicht zu spät.« Und
weg war er, um mit JoJo zu konferieren.
    Als Wetzon sich wieder Aline zuwandte, fütterten
sich Aline und Edward gegenseitig mit Pommes frites. Ein Hamburger, aus dem
geschmolzener gelber Cheddar lief, lag in einer offenen Plastikschachtel,
bedenklich schwankend auf der Armlehne von Alines Platz. Völlig mit Edward und
dem Essen beschäftigt, hob Aline nicht einmal den Kopf, als Wetzon sagte: »Bis
später.«
    Überall befand sich ein Telefon in der Nähe des
Bühneneingangs. Sie trat durch die Bühnentür auf die Seitenbühne. Auf der
anderen Seite der Bühne sagte jemand wütend: »Ich bin es leid, den Kopf für
dich hinzuhalten.« Kays Stimme, hart und unnachgiebig. »Streng dich verdammt
noch mal an.«
    Mit wem redete sie?
    Die Bühne war in einem steilen Winkel geneigt
und mit unzähligen Markierungen übersät. Wie sie es gehaßt hatte, auf so einer
schiefen Fläche zu tanzen. Jede Menge Verletzungen. Sie hoffte, daß die Tänzer heutzutage
Gefahrenzulagen dafür bekamen; zu ihrer Zeit hatte es das natürlich nicht
gegeben. Wetzon schlüpfte an der Backsteinwand entlang hinter die Bühne. Wie
oft hatte sie das als Tänzerin getan?
    Inspizientenpult und Monitore befanden sich auf
der linken Bühnenseite, und sie konnte gerade noch Kay und Phil erkennen. Armer
Phil. Er war in Hotshot ganz klar überfordert. Kays Assistentin Nomi
stand direktneben ihr. Zwei gegen einen. Ob sie... Nein, dachte sie. Halte dich
heraus. Das müssen die unter sich ausmachen.
    Unmittelbar hinter der Bühne waren die
Stargarderoben, zwei oder drei, je nachdem, wer der Star war; eine konnte
nämlich als Suite verwendet werden — für einen Star vom Kaliber einer Liza
Minelli. Da keine richtigen Stars in Hotshot mitwirkten, waren die
Garderoben durch das Los zugeteilt worden. Drei unten, der Rest oben.
    Zwei Schauspieler kamen lachend und eifrig die
Treppe herunter. Wetzon wußte, daß die Garderoben oben wie die
Dienstmädchenstuben in alten Herrenhäusern waren: Kaninchenställe. Sie drängten
sich mit unaufmerksamen Entschuldigungen an ihr vorbei, und sie folgte ihnen
zum Bühneneingang. Irgend etwas in der Luft, die von der Gasse hereinwehte,
etwas seltsam Beißendes, kitzelte sie in der Nase. Sie unterdrückte ein Niesen.
    Das altertümliche Schwarze Brett war ein
Dickicht aus privaten Botschaften, Telefonnummern und Werbung: die schmutzigen
Speisekarten mehrerer Restaurants in der Nähe. Auf einem mit einem Kissen
gepolsterten Drehstuhl aus dem Secondhandshop saß eine untersetzte Frau in
grauer Cordhose und grauen Halbschuhen mit Gummisohle. Ihr steifes
orangefarbenes Haar sah wie eine ungepflegte Hecke hinter dem Revolverblatt
vor, das sie las. The Improper Bostonian. Wetzon hatte den Namen noch
nie gehört.
    Eine Schauspielerin turtelte am einzigen Telefon
in der Nähe der Außentür.
    »Entschuldigen Sie, gibt es noch ein Telefon
hier hinter der Bühne, das ich benutzen kann?«
    Die Frau mit dem orangefarbenen Haar sah von
ihrem Blättchen auf. Sie hatte ein Muttermal am Kinn, aus dem zwei steife
schwarze Haare wuchsen. »Im Herrensalon — gehen Sie zurück, dann rechts...«
    In diesem Augenblick hängte die Schauspielerin
ein und stürmte durch den Bühneneingang. Das Telefon begann zu läuten.
    »Ach, verdammt«, brummte die Portiersfrau hinter
ihrer Zeitung. »Diese Schauspieler.«
    Das Telefon läutete unentwegt. Wetzon nahm ab.
»Ja?«
    »Bitte zahlen Sie weitere fünfundsiebzig Cent«,
verkündete eine Digitalstimme.
    »Ich habe nicht telefoniert...« Wetzon sah sich
nach der Frau um. Keine Regung hinter der Zeitung.
    »Bitte zahlen Sie weitere fünfundsiebzig Cent«,
wiederholte die Vermittlung.
    »Hören Sie«, begann Wetzon, »ich muß in New York
anrufen. Die Dame, die Ihnen fünfundsiebzig Cent schuldet, hat das Haus
verlassen. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Leitung frei machen könnten,
damit ich telefonieren kann.« Sie hängte ein und wartete. Das Telefon blieb
stumm. Ihre Nase kitzelte wieder, und sie schnupperte. Angefaulte Apfel.
    Sie nahm den Hörer ab, warf eine Münze ein,
wählte »O« und die Nummer ihres Büros. Als sich die Vermittlung meldete, sagte
sie: »R-Gespräch bitte«. Sie mußte

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