Mörderisches Musical
Mopsgesicht war mit
einer dichten Puderschicht bedeckt, der blaue Eyeliner verschmiert. Ein Ring
Mascara lag auf den dicken Tränensäcken.
»Ach, Fran hat in Erinnerungen an die alten
Zeiten geschwelgt — mit Lenny Käufer.«
Frans geschwollene Hand krampfte sich um den
Stock.
»Lenny Käufer«, sagte Aline nachdenklich. »Ein
klasse Typ.«
»Ja«, stimmte Fran zu, der wieder etwas
auftaute.
»Und was für eine Macht. Er hat über Jahre den
Kartenschwarzmarkt bei jeder Show kontrolliert.«
»Was redest du für Zeug, Aline?« Auf den Stock
gestützt, kam Fran auf die Beine. Wetzon glaubte ihn sagen zu hören: »Blöde
Kuh«, doch Aline hörte offenbar nichts.
»Hör schon auf, Fran. Man hat ihn nicht umsonst
den Kartenkönig genannt.«
»Solcher Klatsch«, sagte Fran, während er den
Griff seines Stockes streichelte, »ist nicht gut für deine Gesundheit.«
» Ist
denn das die Möglichkeit?«
Aline rümpfte die Nase und wies mit dem Daumen
über die Schulter, während Fran schwerfällig den Mittelgang nach hinten ging.
Sie trug heute eine andere Brille, hundertprozentig fünfziger Jahre. Falsche
Rheinkiesel zierten die geschwungenen Ecken. »Führt sich auf wie Herr
Saubermann. Jeder weiß, daß er Lennys Geschäft geerbt hat.«
»Wirklich?«
Aline nickte nachdrücklich. Die Rheinkiesel
glitzerten. »Warum sollte der alte Arsch sonst noch hier herumhängen? Er will
nichts aus der Hand geben.«
»Ich dachte immer, Fran liebt den Beruf; deshalb
ist er noch dabei.«
»Oh, ich denke, wir alle lieben den Beruf; sonst
würden wir« — ihr Blick huschte über Wetzon — »in der Wall Street arbeiten.«
War das abfällig gemeint? fragte sich Wetzon. Sie wollte gerade
entsprechend antworten, als Aline hinzufügte: »Glaub mir, Fran legt das Geld
auf die hohe Kante.«
»Als eine Art Rente?« fragte Wetzon, die ihre
Spitzen für sich behielt.
»Eher um krumme Sachen zu machen.« Sie zog ihren
Umhang gerade und funkelte Wetzon an, als steckte diese mit Fran unter einer
Decke.
»Wie haben Sie Ihre Hand verletzt?«
»Ach, das?« Aline streckte den Arm aus und
betrachtete den Gipsverband, als sähe sie ihn zum erstenmal. »Wissen Sie, alte
Knochen, ein Unfall zu Hause. Ich habe mit der Hand ausgeschlagen, um meine
Worte zu unterstreichen, und bin mit einer offenstehenden Tür kollidiert.«
»Aline, gibt es eine Mrs. Lenny Käufer?«
»Ja. Celia. Aber sie hat Lenny nicht lange
überlebt. Sie hat nie den Mund aufgemacht, nicht einmal dann, als sie es
gekonnt hätte. Wissen Sie, sie war eine von der Sorte, die immer drei Schritte
hinter ihrem Mann geht.« Aline reckte ihren fleischigen Hals. »Wo ist denn der
Junge geblieben? Ich bin am Verhungern.«
Auf der Bühne wurde gelacht, und das Ensemble
applaudierte. Carlos verschwand tanzend in den Kulissen, dann tauchte er im
Parkett wieder auf, wo Mort stand. Die einzige Tür von der Bühne in den
Zuschauerraum befand sich auf der linken Seite. Wetzons Hände umklammerten die
Armlehnen, doch Carlos und Mort wechselten nur ein paar Worte, dann umarmten
sie sich.
»Was habe ich gesagt?« rief Sunny. Sie saß auf
der anderen Seite des Mittelgangs hinter Twoey, eine Hand ganz locker auf
seiner Schulter.
»Ich gebe mich geschlagen, Sunny.« Wetzon wandte
sich wieder Aline zu. »Vermutlich hat Lenny Kaufer bestens für seine Familie
vorgesorgt.«
Alines gewaltiger Busen bebte, als rüttelte
etwas in dem fleischigen Käfig, das herauswollte. »Hm, das steht auf einem
anderen Blatt... Da bist du, Goldstück.« Alines Assistent, Edward Gray, war mit
einer prall gefüllten Plastiktasche erschienen. Verlockende Düfte nach allen
möglichen Schnellgerichten stiegen aus der Tasche auf. Wetzons Magen knurrte.
Eindeutig Zeit fürs Mittagessen. Erinnerungen an Tourneen wurden aus tiefsten
Tiefen nach oben gespült, wie alles nach Essenspausen gemessen wurde. Probe,
Essenspause, Probe...
»Häschen! Wollen wir essen gehen?« Ein völlig
wiederhergestellter Carlos stand zapplig vor ihr, ein richtiges Energiebündel.
»Ich muß nur noch schnell im Büro anrufen, dann
bin ich dabei.«
»Und ich dachte, hier habe ich dich ganz für
mich.« Erfuhr sich mit dem Handballen über die Stirn. »Aline, Schatz.« Er
beugte sich vor und tauschte mit Aline Wangenküsse.
»Ich muß mich wirklich um mein Geschäft
kümmern.« Wetzon stand auf. Das Theater wirkte wie Treibsand, sog sie zurück,
ließ sie beinahe vergessen, daß sie Teil des dynamischen Headhunterteams Smith
und Wetzon
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